Zurück in die 70er: Ich hab mir den (teuren) Spaß gemacht und bin mit einer Pocketkamera fotografieren gegangen

Als ich Anfang des Jahres die Sammlung eines verstorbenen Bekannten übernommen hab, befand sich in dem Fundus auch ein Berg von Pocket Kameras. Irgendwann werde ich mal eine davon mit einem Film laden und damit losziehen, hab ich mir vorgenommen.

Ein Stapel voller Agfa Pocket Kameras
Ein Stapel voller Agfa Pocket Kameras

Bei unserem letzten Kurzurlaub in Annenwalde hatte ich nun die Minolta 110 SLR dabei und mit einem Lomo Metropolis Film geladen.

Pocketfilm

Kodak hatte Anfang der 70er Jahre die Idee, den 16mm Film in eine schmale Kassette zu füllen und damit einerseits den Filmwechsel zu erleichtern, andrerseits kleinere und leichtere Kameras bauen zu können. Voilà - die Pocketkameras waren geboren!

Das Filmformat misst hierbei etwa 13mm x 17mm, das entspricht in etwa dem heutigen Micro Four Thirds (MFT) Sensor im digitalen Zeitalter.

Ritsch Ratsch Kamera

In den 70er Jahren waren Pocketkameras Kult, und angestachelt von dem Erfolg des Kamerasystems entwickelten sich auch die Kameras weiter - von den einfachen Knipsen mit Fixfocusobjektiv zu richtigen Spiegelreflexkameras. Die Klassiker des Pocketfilms aber sind die Agfa-Kameras, die man zum Fotografieren auseinanderzieht und danach wieder zusammenschiebt - die Geräusche Ritsch-Ratsch-Klick wurden zum Synonym für die Pocketkamera-Knipserei.

Minolta 110 SLR Pocketkamera

Die Minolta 110 SLR ist eine irgendwie eigenartige Kamera. Minolta hatte als erster Hersteller sich getraut, eine Spiegelreflex für den Pocketfilm zu bauen, der ja eigentlich eher für Schnappschüsse, und weniger für anspruchsvolle Fotografie geeignet ist. Und Minolta war dabei mutig genug, ein völlig neues Design zu entwerfen. In der Mitte des kantigen 70er Jahre Designs steckt eine dicke Zoomlinse mit einem Brennweitenbereich von 25mm - 50mm. Auf Kleinbild umgerechnet ist das ein Normal- bis Teleobjektiv.

Ein Weitwinkelwunder ist es also nicht, und die Lichtstärke ist mit 4,5 auch nicht berauschend. Bei schattigen Außenaufnahmen kommt schnell die Warnung vor Unterbelichtung im Sucher.

Bokeh kann man auch nicht erwarten; Blende 4,5 gibt Unschärfekreise wie Blende 8 beim Vollformat - also quasi gar keine, es sei denn, man ist nah dran am Motiv.

Genau dafür hat die Kamera einen Nah/Makromodus; das ist schon mal ganz schick. Und dank des Spiegelreflexsuchers kann man die Wirkung auch ganz gut beurteilen, wenngleich das Sucherbild recht dunkel ist (Blende 4,5 ….)

Alles in allem macht das Fotografieren mit der Kamera Spaß, aber ohne Weitwinkel ist der Nutzen des Zooms eingeschränkt.

Minolta 110 SLR
Minolta 110 SLR

Minolta 110 SLR Rückseite
Minolta 110 SLR Rückseite

Pocket Film Entwicklung - ein teurer Spaß

Ich hab den Film bei Foto Impex in Berlin Mitte entwickeln lassen; ich denke, das ist auch der einzige Laden wo man das heute noch machen lassen kann. Geschockt war ich aber über den Preis: 30 € für die Prints und Filmentwicklung, das ist schon mal eine Ansage. Mit Vorkasse natürlich.

Eine eigene eigenartige Ästhetik

Nach einer Woche bin ich wieder hin zum Laden, was hab ich aus der Entwicklungstüte gezogen? Die meisten Fotos sehen aus, als wenn sie in einer rot-braunen Soße gelagert worden wären. Ich vermute, dass das an dem Filmcharakter liegt; Lomo-Filme geben sich ja viel Mühe, die Farben möglichst falsch darzustellen. Das ist hier voll und ganz gelungen; mir gefällt es aber nicht wirklich. Es kann sein, dass diese Filmart besser in der Stadt mit urbaner Umgebung, verschiedenen Farben und Kontrasten funktioniert; in der kontrastarmen Sommerlandschaft Brandenburgs mit Grün und Gelb wirkt das alles sehr verwaschen.

Es kann aber auch schlicht sein, dass die Fotos fehlbelichtet sind und der Fotodienst versucht hat, wenigstens etwas aus dem Material rauszuholen…

Pocketkamera, Film, und teure Prints
Pocketkamera, Film, und teure Prints

Tipps für Pocketfotos

Für das nächste Mal (ich hab noch einen Film) notiere ich mir:

  • Fotos mit vielen Details funktionieren nicht gut wegen Filmkorn und mangelnder Schärfe
  • Nahaufnahmen geben tatsächlich ein eigenes Bokeh, das schaut gut aus
  • Schlechtes Motiv, schlechtes Bild. Taugt das Motiv nicht, ist das Pocketfilm Ergebnis gnadenlos schlecht. Die Erfahrung musste ich leider auch machen.
  • Das Filmmatrial und die Kameras sind nur für Sonnenschein geeignet (Die Rollei oder die Pentax - siehe unten - haben lichtstärkere Objektive. Da geht auch bei schlechterem Licht etwas mehr )

Zusammengefasst: Bei der Pocket zeigt sich der Meister!

Denn unter diesen Bedingungen gute Fotos hinzubekommen, erfordert ein geschultes Auge, Kenntnis der Gestaltungsregeln und brauchbare Motive.

Wenn ich mir meine Ergebnisse anschaue, erkenne ich da durchaus noch Raum für Verbesserungen…

Alternative: Pentax auto 110 Pocketkamera

Eine Alternative zur Minolta 110 SLR ist die Pentax auto 110. Diese Kamera orientiert sich am Design einer klassischen Spiegelreflexkamera (nur ist sie eben winzig), hat einen hellen Sucher und Wechselobjektive.

So richtig vollwertig ist das System natürlich auch nicht. So besitzen die Objektive keine Blende, statt dessen bildet die Blende mit dem Verschluss eine Einheit und sitzt in der Kamera.

Die Pentax gab es damals im Set in einem silbernen Köfferchen, wo alle Utensilien (Kamera, Winder, Blitzgerät, Objektive, Filter und Sonnenblenden) untergebracht sind. Es macht Spaß mit der Kamera herumzuspielen; den nächsten Film werde ich mit ihr fotografieren.

Wie bei der Minolta stellt sich die Frage, wer denn die Zielgruppe dieser Kamera gewesen sein soll. Die Pentax ist zwar kleiner und leichter als die Minolta, aber das Mitführen mehrerer Objektive und der Objektivwechsel lohnt sich meiner Meinung nach nur, wenn auch die Qualität der Bilder überzeugen. Und da ist das kleine Filmformat benachteiligt.

Minolta 110 SLR und Pentax auto 110 im Vergleich
Minolta 110 SLR und Pentax auto 110 im Vergleich

Pentax auto 110 mit Wechselobjektiven und Zubehör
Pentax auto 110 mit Wechselobjektiven und Zubehör

Luxus. Pocket Rollei A110

Auch Rollei musste eine Pocket Kamera rausbringen, die Rollei 110. Diese Kamera ist sehr klein (kaum größer als der Film), aber wertig und schwer und mit einem Ritsch-Ratsch Mechanismus versehen wie das Gros der Agfa-Kameras. Besonderes Highlight dieser Kamera: Die Rollei hat ein vernünftiges Objektiv (ein vierlinsiges Tessar) 1:2,8/23mm.

Drei Luxus Pocket Kameras im Vergleich: Minolta, Pentax und Rollei
Drei Luxus Pocket Kameras im Vergleich: Minolta, Pentax und Rollei

Die Dokukamera für das Auto

Irgendwann kam dann Agfa auf die Idee, die Kameras als Dokumentations-Pack anzubieten - mit Film, Blitz, Notizblock und einem Stift. Das ganze in einem flachen faltbaren Kunstlederetui.

Eine gute Marketingidee; ich glaub aber nicht, dass die Filme nach ein paar Sommern im glühenden Auto noch brauchbare Fotos erzeugen konnten. Vielleicht sahen sie aber nur so aus wie das, was ich mit dem Lomo Metropolis Film produziert hatte…

Das Doku-Pack für das Handschuhfach: Kamera, Film, Blitz und ein Notizblock
Das Doku-Pack für das Handschuhfach: Kamera, Film, Blitz und ein Notizblock

Gebrauchtpreise für Pocketkameras

Pcoketkameras bekommt man für kleines Geld bei Ebay, auf Flohmärkten oder anderen Marktplätzen.

  • Die Agfa Pocketlkameras kosten meistens 5€ - 10€; besser ausgestattete Modelle mit Fotos, Blitz, Makro u.s.w. auch mal darüber.
  • Die Minolta 110 SLR kostet ca 50 €
  • Die Pentax auto 110 gibts im Set mit Objektiven und Zubehör für etwa 50 - 100 €
  • Die Rollei liegt bei etwa 50 - 70 €

Das Teuerste an der Pocketknipserei ist tatsächlich die Entwicklung und die Erstellung von Prints!

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