Die Canon AT-1. Meine erste SLR. Nach 45 Jahren erliege ich sentimentalen Regungen und kaufe sie mir erneut. Hach!

Canon AT-1
Canon AT-1

Canon AT-1 - die bessere AE-1

Die Canon AE-1 war der Befreiungsschag von Canon gegen den Rivalen Nikon, mit der AE-1 landete Canon einen Volltreffer. Durch den Einsatz eines Mikroprozessors konnten mechanische Baugruppen eliminiert, und dadurch Gewicht und Kosten gesenkt werden.

Neben der AE-1 gab es dann noch die AT-1, der nerdige Bruder der AE-1. Im Gegensatz zur AE-1 ist die AT-1 eine rein manuelle Kamera mit mittenbetonter Belichtungsmessung. Wobei “manuelle Kamera” ein Euphemismus ist. Wie die AE-1 braucht die AT-1 zwingend eine Batterie, denn die Verschlusszeiten werden elektronisch gesteuert. Einzig eine kleine LED für den Selbstauslöser zeigt nach außen, dass in der Kamera wohl Elektronik verbaut ist.

Mein Bruder kaufte sich die AE-1, und ich mit jungen 15 Jahren die AT-1. Warum ich nicht auch die AE-1 anschaffte, weiß ich nicht mehr. Vielleicht hatten meine Eltern den Finger auf das Portemonnaie gelegt (die AT-1 kostete 100 DM weniger), oder ich entschied mich selber.

Wie auch immer, ich bereute die Entscheidung nicht. Denn die AE-1 hat eine Blendenautomatik, was zumindest ungewöhnlich, wenn nicht sogar unglücklich ist. Die manuelle Nachführmessung der AT-1 dagegen gibt dem Fotografen volle Freiheit und ist für einen Einsteiger - wie ich es war - ideal. Zudem ist das Zeitenrad sehr ergonomisch, sodaß man flink die Blenden/Zeitkombination einstellen kann.

Canon AT-1 Aufsicht
Canon AT-1 Aufsicht

Helft Hüttemann

Mit dem Erwerb der Kamera konnte ich die aufkeimende Foto-Bessenheit nun hemmungslos ausleben. Ich schaffte mir noch zwei weitere Objektive an (und besaß nun das klassische Set seinerzeit: 50mm 1,8, 28mm 1:2,8 und 135mm 1:3,5), baute ein Fotolabor auf, und jagte soviele Bilder durch Kamera und Entwicklerchemie, dass ich mir die Filme als Meterware besorgte und selber in die Patronen spulte.

Während andere Teenager Schulbands starteten, gründete ich mit meinem Schulfreund die Foto-Presse-Agentur “fPA Hefft & Hüttemann”, wir druckten Visitenkarten und zogen los. Als ich stolz meiner betagten Oma die Visitenkarte zeigte, konnte sie die Namen nicht richtig lesen. Sie beschwerte sich lautark, dass ich mit “Helft Hüttemann”-Zettelchen betteln gehe.

Mit den Visitenkarten zogen wir durchs Westberlin, studierten Presseticker, fotografierten die Geschehnisse und verkauften die Fotos an die Berliner Tageszeitungen. Wobei mein gewitzter Schulfreund die Wortführung übernahm.

Mit der Canon AT-1 zum Staatsempfang

Zu meiner Ausrüstung kam dann noch ein Motor-Winder und der obligatorische Metz 45 CT-1 Stabblitz dazu, und als sich der italienische Staatspräsident Pertini für einen Berlinbesuch ankündigte, gingen wir zum Flughafen und wurden tatsächlich durchgelassen. Zwei 16-jährige Berliner Großmäuler mit Amateurkameras und Flaum unterm Kinn auf dem Weg zum Rollfeld.

Canon AT-1 mit Metz 45 CT-1
Canon AT-1 mit Metz 45 CT-1

Völlig unwissend wie die Abläufe bei solchen Ereignissen sind, stellte ich mich etwas abseits vom Getümmel auf, und wie es der Zufall so wollte, zog die Karawane genau in meine Richtung. Während die anderen Pressefotografen mich wegzuboxen versuchten, ballerte ich meinen Film voll. Der arme Pertini stand vor mir in meinem Lichtgewitter, die AT-1 knatterte, der Motor-Winder jaulte und der Blitz feuerte.

Verkaufen konnte ich die Fotos allerdings nicht; Pertini sah auf meinen Fotos zu alt aus. Ausgewählt wurden Fotos in Begrüßungsposen, meine Paparazzi-Salven blieben außen vor.

Pertini war zu der Zeit schon über 80 Jahre alt. Pertini kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen Faschisten und Nazis, und überlebte. Sein Bruder kam 1945 im KZ ums Leben.

Eine Anmerkung zum Equipment: Der Stabblitz Metz 45-CT1 war für den Einsatz nicht gut geeignet. Wenn zwei Hände die Kamera halten (eine am Auslöser, eine am Objektiv um die Schärfe nachzuziehen), wer hält dann den Stabblitz?

Tausche Canon gegen Yamaha

Irgendwann schaute sich dann ein Beamter im Berliner Gewerbeamt unsere Gewerbeanmeldung an, und stellte fest, dass man mit 16 Jahren kein Unternehmen gründen darf. Also wurde die Agentur geschlossen, und wir besorgten uns “Presseausweise”, indem wir Mitglied in einer anderen Agentur wurden. Deren Zweck schien es ausschließlich zu sein, Mitgliedsausweise auszustellen, diese Presseausweis zu nennen und dafür einen “Mitgliedbeitrag” zu kassieren.

Und dann hab ich die AT-1 hergegeben - ich tauschte sie gegen die Yamaha Klassik Gitarre meiner damaligen Freundin. Statt auf den Auslöser drückte ich nun Saiten aufs Griffbrett, meine an Besessenheit grenzende Leidenschaft lebte ich nun beim Musikmachen aus. Als Ersatz für die Canon kam dann kurz danach eine gebrauchte Pentax ME. Lieber hätte ich die mechanische und manuelle MX gehabt (mein Freund Denny besaß diese), doch die ME war preiswerter.

Canon AT-1 heutzutage

Ich hab mir die AT-1 in dem tollen Laden “Click & Surr” besorgt; beim Plausch mit dem Inhaber stimmten wir überein, dass die Canon AT-1 eigentlich die bessere Kamera ist als die AE-1. Aber da alle Onlineportale den Analog-Neuligen die AE-1 empfehlen, wollen die Leute genau diese Kamera (und so stand die AT-1 auch bei Click & Surr in der Ecke der Vitrine, bis sie den Weg in meine Hände fand).

Für Kameraliebhaber ist die AT-1 nichts, da würde man lieber zu vollmechanischen manuellen Geräten greifen. Aber der Praxisnutzen der Kamera ist enorm. Und im Gegensatz zu mechanischen Kameras laufen die elektronisch gesteuerten Zeiten auch heutzutage immer noch sauber und genau.

Schwachpunkte

Die Kamera hat keine Schwachpunkte, aber wenn ich meckern müsste, so wäre das nur folgender Punkt:

  • Die im Sucher eingeblendeten Anzeigen für Belichtungsmesser (Zeiger) und -einstellung (Kelle) sind nicht beleuchtet - sie lassen sich in der Dämmerung schlecht ablesen.

Wobei ich das System Kelle und Zeiger deutlich besser finde als Leuchtdioden, die nur auf Unter- oder Überbelichtung hinweisen. Kelle und Zeiger zeigen auf einen Blick, um wie viel Lichtwerte sich die eingestellte Belichtung vom Sollwert unterscheiden.

Ich hatte überlegt, auch noch die fehlende Einspiegelung von Zeit- und Blendenwert zu bemängeln. Aber eigentlich war das kein Problem für mich. Mit der Zeit lernte ich mir zu merken, welche Werte eingestellt sind, und wie sie sich verändern, wenn ich blind - das Auge am Sucher - am Zeitenrad und Blendenring drehe.

Alternativen

Wer nicht wie ich von sentimentalen Regungen getrieben ausschließlich die AT-1 in den Händen halten will, findet ein weites Feld von Alternativen. Bei Geräten mit mechanischer Zeitsteuerung ist darauf zu achten, dass die Zeiten sauber laufen - häufig sind es die langen Zeiten (1/30, 1/15 .. ) die Probleme bereiten. Da man heutzutage diese Kameras vorwiegend in entspannten Momenten nutzt, spielt die Ergonomie keine wesentliche Rolle - andernfalls würde ich Wert darauf legen, dass sich das Zeitenrad mit Kamera am Auge gut bedienen lässt.

Wenn ich ein paar Kameras nennen müsste, so wären das

  • die Minolta SR-T 303 (vollmechanisch, mit im Sucher eingespiegelter Blende)
  • die Leica R Kameras (schwer und robust, haptisch überragend. Objektive herausragend und teuer. Die R3 und R4 bekommt man preiswert, die R6.2 überteuert, die R7 ist großartig und noch bezahlbar)
  • die Pentax MX (vollmechanisch, die ME super hat leider kein Zeitenrad, sondern nur zwei kleine Tasten)
  • die Praktica MTL-50 (mechanisch, etwas größer und lauter als die AT-1, tolle Objektive, ein Schnäppchen!)
  • die Nikon FM2 - teurer Traum der mechanisch-manuellen Kameras. Mit der 1/4000 Sekunde schafft man es auch, im Freien offenblendig zu arbeiten.
  • und natürlich die schönen Olympus OM Kameras - die hatte ich allerdings noch nicht in meinen Händen.

Von links nach rechts: Praktica MTL-50, Canon AT-1, Pentax ME super
Von links nach rechts: Praktica MTL-50, Canon AT-1, Pentax ME super

Von links nach rechts: Praktica MTL-50, Canon AT-1, Pentax ME super
Von links nach rechts: Praktica MTL-50, Canon AT-1, Pentax ME super

Autofocus und Schluss

Ab Mitte der 80er Jahre wurde Autofokus in den SLRs populär, und dies markiert eine Zeitenwende: Die Kameras wurden voluminöser, und um Größe und Gewicht handhabbarer zu machen, wulstig, vollautomatisch und für meine Begriffe hässlich. Und mit den neuen Autofokusobjektiven stellten die meisten Hersteller (Ausnahme Nikon) auch die Objektivanschlüsse um.

Anstelle toller offenblendiger Festbrennweiten (50mm 1.8) wurden als Kitobjektive lichtschwache Zoom mit der Haptik eines Joghurtbechers verkauft.

Wenige Hersteller produzierten nach der Autofokus-Innovation noch mechanische/manuelle Kameras; die Nikon FM2/FM3A und die Praktica gehörten dazu. Und Leica sowieso, die haben bei dem R-System den Autofokus verschlafen (und mussten das R-System mit der nächsten Disruption - der Digitalisierung - beerdigen).

Weitere Beiträge zum Thema