Eine Radtour durch den Naturpark Nuthe-Nieplitz, eintauchen in Sand und Dickicht. Mit Gipfelglück, Krieg und Frieden, Gott und die Welt und kein Elch.

Die Regionalbahn RE4 fährt in Staaken los und fährt in einem Rutsch nach Ludgwigsfelde; ideal also, eine Tour von Ludwigsfelde aus in den Nieplitz Naturpark zu machen.

Ziel ist das Städtchen Treuenbrietzen am Rand des Fläming, im Mai war ich mit Moni dort wandern. Rund 60 km stehen auf dem Plan mit einigen Pausen für Besichtigungen.

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Gröben

Von Bahnhof Ludwigsfelde aus radeln wir entspannt aus der Stadt heraus. Ludwigsfelde in ein wichtiger Industriestandort in Brandenburg mit vier Gewerbeparks; da diese nordöstlich vom Bahnhof liegen, während wir südwestlich radeln, spüren wir davon nichts.

Schöne Radstrecke am Gröbener See
Schöne Radstrecke am Gröbener See

Erste Station ist die Kirche Gröben am gleichnamigen See. Zum einen überrascht die Kirche mit gemalten Wand- und Deckenornamenten, die dem Raum eine untypisch warme und harmonische Stimmung verleihen und an den Jugendstil erinnern. Die Malereien und der Innenausbau stammen von 1909; die Kirche brannte seinerzeit aus und musste neu aufgebaut werden.

Außerdem besitzt die Kirche einen weiteren Schatz - das Kirchenbuch stammt aus dem Jahr 1578 und ist das älteste der Mark Brandenburg. Es wurde digitalisiert und kann online durchgesehen werden.

Außenansicht Kirche Gröben - der Anbau enthält die Sakristei
Außenansicht Kirche Gröben - der Anbau enthält die Sakristei

Löwenklinke an der Kirche Gröben
Löwenklinke an der Kirche Gröben

Kirche Kröben - Innenraum, Blick auf Altar
Kirche Kröben - Innenraum, Blick auf Altar

Kirche Kröben - große Kuppel und florale Ornamente
Kirche Kröben - große Kuppel und florale Ornamente

Altarbereich Kirche Gröben
Altarbereich Kirche Gröben

Nebenraum/Sakristei für das Kirchenbuch in der Kirche Gröben
Nebenraum/Sakristei für das Kirchenbuch in der Kirche Gröben

Hinter der Kirche begegnen wir drei Holzstatuen, die die Sage vom Trommler aus Gröben darstellen.

Der Trommler brachte seinerzeit seinen toten Herrn, den Leutnant, zurück nach Gröben, begleitet von dessen Katze. Nachdem der Leutnant in der Kirche bestattet war, verblieben Trommler und Katze treu am Ort. Der Trommler pflegte den Friedhof, die Katze wich nicht vom Grab, und beide verstarben. Seit dieser Zeit steigen bei Gefahr der Trommler, der Leutnant und die Katze aus ihren Gräbern, um die Bevölkerung vor dem Krieg zu warnen. Um Punkt Mitternacht fängt der Trommler an zu trommeln, die Katze miaut vom Kirchendach und der Leutnant zeigt in die Richtung, aus der die feindlichen Soldaten kommen.

Praktisch, oder?

Die Sage vom Trommler aus Gröben, Schnitzfiguren vor der Kirche Gröben
Die Sage vom Trommler aus Gröben, Schnitzfiguren vor der Kirche Gröben

Nach dem Besuch der Kirche machen wir noch einen kurzen Stopp im Fischerkietz. Hier war früher ein Fischerdorf, welches die naheliegende Burg Beuthen mit Fischen versorgte. Die Burg Beuthen gibt es längst nicht mehr, aber der Fischerkietz, der ist immer noch da. Und hinter den Wohnhäusern der Durchgangsstraße finden sich tatsächlich auch ein paar Fischerhütten.

Alte Hütten im Fischerkietz Gröben
Alte Hütten im Fischerkietz Gröben

Glauer Berg

Vom Glauer Berg radeln wir Richtung Blankensee, unserem nächsten Ziel. Ich hab die Route über den Glauer Berg gelegt, um noch etwas Höhenluft zu schnuppern - immerhin 90 Meter soll der Glauer Berg messen, etwas höher - 110 Meter - ist der benachbarte Löwenberg.

Die Berge und die Niederungen sind - typisch für Brandenburg - Erbe der Eiszeit. Hier am Glauer Berg waren die Gletscher zu Ende und lagerten zu feinem Sand geschmirgeltes Geröll ab. Und das darf man hautnah erleben!

Radfahren geht nicht, wir schieben die Räder durch weichen Sand, den man sich im Urlaub an der Ostsee wünscht. Wir stapfen durch Mietgendorf mit seinen Pferdekoppeln Richtung Berg, und fragen die Anwohner, ob der Sandkasten irgendwo aufhöre. Nein, tue er nicht.

Vorne Pferde, hinten Berge, und darunter mehr Sand als Erde - Mietgendorf
Vorne Pferde, hinten Berge, und darunter mehr Sand als Erde - Mietgendorf

Tatsächlich wird der Weg kurzzeitig besser als wir nach Mietgendorf in den Wald kommen, doch dort wartet die nächste Herausforderung. Der Weg geht schnurgerade nach oben. Der Anstieg ist steil, ich werfe die Packtaschen ab und Boris hilft mir, mein schweres Rad hoch zu wuchten.

Oben dann gibt es tatsächlich Gipfelglück: Ein kleiner schöner Rastplatz, Fernsicht, und ein Gipfelkreuz. Verglichen mit dem Milower Berg im Westhavelland und dem Hagelberg im Fläming hat dieser Ort hier wirklich Charme!

Nach einer kleinen Gipfeljause mit Äpfeln aus Boris Garten machen wir uns wieder auf den Weg. Ein Wegweiser irritiert, später verstehe ich ihn. Er zeigt die Orte an, die für Joseph Weißenberg, den Gründer der bei Blankensee liegenden Friedensstadt wichtig waren.

Also auf nach Blankensee!

Steiler Anstieg am Glauer Berg
Steiler Anstieg am Glauer Berg

Gipfelkreuz und Rastplatz Glauer Berg
Gipfelkreuz und Rastplatz Glauer Berg

Wegweiser am Glauer Berg - Stationen des Friedensstadt Gründers Joseph Weißenberg
Wegweiser am Glauer Berg - Stationen des Friedensstadt Gründers Joseph Weißenberg

Friedensstadt Weißenberg

Die Friedensstadt ist nach ein paar Minuten erreicht. Die Friedensstadt wurde 1920 von Joseph Weißenberg gegründet, der hier eine religiös-soziale Einrichtung für die von ihm gegründete christliche Bewegung (Johannische Kirche) schuf. In den 20er Jahren war dies die größte Privatsiedlung mit 40 Wohnhäusern und Arbeitseinrichtungen auf 80 Hektar. Die Bewegung fand ein abruptes Ende: Die Nazis verboten die Einrichtung, verhafteten Joseph Weißenberg, besetzten die Gebäude und richteten zudem noch eine Außenstelle des KZ Sachsenhausen auf dem Gelände ein.

Nach dem Krieg kamen die Sowjets, und erst 1994 konnte die Siedlung wieder von der Johannischen Kirche übernommen werden. Einige Gebäude sind wieder hergestellt, für andere ist die Reparatur geplant.

Durch die Siedlung zu laufen lässt einen religiöse Hoffnung, Naziverbrechen und Besatzung bedrückend erleben. An vielen Orten sind Infotafeln aufgestellt, welche die Gebäude und deren Nutzung in der bewegten Geschichte der letzten 100 Jahre dokumentieren.

Glauer Hof - Friedensstadt Weißenberg
Glauer Hof - Friedensstadt Weißenberg

Apellplatz in der Friedensstadt Weißenberg
Apellplatz in der Friedensstadt Weißenberg

Verwaistes Gebäude am Apellplatz in der Friedensstadt Weißenberg
Verwaistes Gebäude am Apellplatz in der Friedensstadt Weißenberg

Verfallene Gebäude der Friedensstadt Weißenberg
Verfallene Gebäude der Friedensstadt Weißenberg

Markthalle in der Friedensstadt Weißenberg
Markthalle in der Friedensstadt Weißenberg

Schloss Blankensee und Sudermann Park

Ein Kilometer von der Friedensstadt entfernt liegt Blankensee. Wir fahren am Naturparkzentrum vorbei und suchen und finden den Eingang zum Schloss. Das Schloss ist eher ein Herrenhaus, der von Lenné gestaltete Park wird von der Nieplitz durchflossen. Viele kleine Brücken kreuzen die Gewässer, doch leider wirken die hellweißen, mit wuchtigen Pfosten versehenen Brücken wie Fremdkörper. Schade eigentlich, doch das soll den Besuch nicht trüben.

Sudermann war ein erfolgreicher Autor, der sich dieses Anwesen nebst Park gönnte, und die von seinen Reisen nach Italien und Griechenland mitgebrachten Statuen hier aufstellte. Der Park ist nicht groß, die Figuren abwechslungsreich, so dass uns nicht langweilig wird, aber nach 30 Minuten genügt es uns dann auch und wir ziehen weiter.

Statue gegenüber dem Schloss im Sudermann Park Blankensee
Statue gegenüber dem Schloss im Sudermann Park Blankensee

Statue im Sudermann Park Blankensee
Statue im Sudermann Park Blankensee

Brücken im Sudermann Park Blankensee
Brücken im Sudermann Park Blankensee

Von Dobbrikow nach Treuenbrietzen

Wir sind gerade mal 20 Kilometer gefahren und haben schon Mittag - Zeit in die Pedale zu treten! Die Hauptattraktionen unserer Tour haben wir besichtigt, jetzt heißt es Strecke machen. Noch 40 km liegen vor uns.

Unsere Route führt in Schlangenlinien um und durch das NSG Nuthe-Nieplitz. Wir queren schöne Dörfer wie Dobbrikow und passen auf, dass wir nicht versehentlich einen Elch umfahren.

Achtung Elch! Warnschild bei Dobbrikow
Achtung Elch! Warnschild bei Dobbrikow

Kühe auf der Weide bei Dobbrikow
Kühe auf der Weide bei Dobbrikow

Hübscher Dorfanger und Backteinromantik in Zülichendorf
Hübscher Dorfanger und Backteinromantik in Zülichendorf

Weiß und Blau - Kirche in Dobbrikow
Weiß und Blau - Kirche in Dobbrikow

In Zauchwitz essen wir denkbar schlecht und teuer im Syringhof. Eigentlich hätte man schon weglaufen sollen, als man Vorkasse verlangte. Das Essen - Sommersalat - war offensichtlich vor langer Zeit vorbereitet und zurechtgeschnippelt. Es kam schon nach 5 Minuten; die Hähnchenbrust war trocken, das Brot staubig, und der Salat hatte längst alle Vitalstoffe ausgehaucht.

Kaffee und Kuchen haben wir uns kurz danach im Cafe Scheune gegönnt - einer Biker Kneipe. Kaffe und Kuchen waren prima, und unser Mitleid für die Biker in ihren dicken Klamottem bei 28 Grad haben wir vornehm zurückgehalten.

Ganz zum Schluss kommt dann noch eine Challenge - und ich hatte doch dem Boris versprochen, dass die Sandpisten der Glauer Berge die einzigen Überraschungen sind. Der Weg am NSG Zinna-Jüterbog-Keilberg ist dicht mit Brennesseln zugewachsen. Wir eiern durch das Dickicht, suchen den Weg der kleinsten Schmerzen. Unsere Gesichter verkleben mit Spinnennetzen, Arme und Beine kribbeln, und gegen die Zeit fahren müssen wir auch noch - der nächste Zug geht in 30 Minuten, und dann erst wieder in zwei Stunden. Und wer weiß, was die Route noch an Herausforderungen zu bieten hat…

Suchbild - finde den Weg! NSG Zinna-Jüterbog-Keilberg
Suchbild - finde den Weg! NSG Zinna-Jüterbog-Keilberg

Dorfkirche Pechüle
Dorfkirche Pechüle

Rückfahrt

Treuenbrietzen erreichen wir dann rechtzeitig genug, um noch am Bahnof in der Sonne zu schwitzen. Wieder erwarten ist der Zug leer - ich hab befürchtet, keinen Platz mehr für die Räder zu bekommen. “Heute ist der Zug eher voll”, sagt unser Schaffner. Manchmal fährt er alleine mit drei Personen. Das liegt vielleicht daran, dass der Zug bereits in Wannsee endet - die Umsteigerei will man vermeiden.

Uns gehts genauso - bevor wir noch zum zwei Mal umsteigen, radeln wir ab Wannsee über die Havelchaussee nach Hause.

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