Entwicklungszeiten für Rodinal / Ilford und Tipps zum Kippen/Drehen während der Entwicklung

Ich entwickle meine analogen Filme mit dem Paterson-Tank. Im Gegensatz zu meinen Kleinbild-JOBO-Dosen, die ich früher verwendet habe, kann ich darin bequem auch Rollfilm entwickeln. Beim JOBO habe ich klassisch invertiert (Kippen), beim Paterson nutze ich bislang den Drehstab (Twizzle).

Ich hab jetzt wieder ein paar Filme entwickelt, und werde auf die Kipp-Methode umstellen. Der Grund dafür ist die schlechte Durchmischung der Lösung beim Drehen - in diesem Text gehe ich detaillierter darauf ein.

Außerdem hatte ich in der Vergangenheit nicht so gute Ergebnisse mit dem Rodinal. Ich hatte lange Standzeiten ohne Kippen/Drehen probiert, um mehr Zeichnung in die Lichter, und geringeres Korn zu bekommen. Letztlich waren die Bilder nicht genügend ausentwickelt. Die Negativentwicklung ist von vielen Parametern abhängig, die man kontrollieren muss - ich hatte leider eine hohe Schwankungsbreite in der Filmentwicklung.

Die zentrale Frage ist also: Wie lange entwickeln – und wie hängt das von Verdünnung, Temperatur und Agitation ab?

Der Paterson Tank mit Filmspulen und 'Twizzle'
Der Paterson Tank mit Filmspulen und 'Twizzle'

TL;DR

Da mein Blog immer auch mein persönliches Notizbuch ist, notiere ich hier die genaue Vorgehensweise hier: Paterson Tank.

  • Entwicklung im Paterson Tank, (Modell Super System 4 mit zwei Spiralen)
  • 1+50: 12 ml Entwickler auf 600 ml Wasser bei 20 °C
  • Start 30 s Agitation.
  • Dann jede Minute 10 Sekunden Agitation (Inversion = Kippen; oder Twizzle = Drehstab).
  • In den 10 Sekunden kann ich den Tank etwa 4 Mal hin und herkippen. Zum Abschluss kurz mit dem Boden aufstoßen um Luftblasen zu verhindern.
  • Bei Rodinal und FP4+: 15 Minuten Entwicklung (bei Twizzle 7% länger: 16:03 Minuten).
  • Bei Rodinal und HP5+: 11 Minuten Entwicklung (bei Twizzle 7% länger: 11:46 Minuten).

Konzentration 1+50 (Verdünnung)

Für Rollfilm (und meist auch Kleinbild) verwende ich 600 ml Arbeitslösung.

1+50 bedeutet: 12 ml Rodinal + 600 ml Wasser = 612 ml gesamt.

Es spielt keine Rolle, ob du zu viel Entwicklerlösung im Tank hast - außer der Verschwendung. Ich nehme grundsätzlich die 600ml, denn die Umrechnung ist dann einfach, und bei 12 ml Lösung (für 600ml Wasser) fallen Messungenauigkeiten weniger ins Gewicht als bei 6ml Lösung zu 300ml Wasser.

Eine kurze Anmerkung zur Notation: 1+50 bedeutet 1 Teil Konzentrat und 50 Teile Wasser. Macht zusammen 51 Teile. Eine Notation 1:50 kann missverstanden werden zu 1/50, also 1 Teil Konzentrat und 49 Teile Wasser, zusammen 50 Teile.

Ein Ansatz von 1+25 wäre auch machbar. Die Konzentration ist dann höher, die Entwicklung zieht stärker an und ist schneller fertig. Grundsätzlich ist eine längere Entwicklung ausgleichender, d.h. führt zu mehr Zeichnung in den Lichtern.

Kein Vorwässern (optional)

Ich bringe den Entwickler auf 20 °C. Vorwässern ist nicht nötig – es kann die Temperaturführung erschweren und durch Restwasser die effektive Konzentration leicht senken.
Ich hab ein paar mal vorgewässert, aber keine wesentlichen Unterschiede feststellen können - dann kann ich es auch lassen.

Agitation & Kontrastverhalten (warum überhaupt?)

Unter Agitation versteht man Kippen (Inversion) des Tanks oder Drehen mit dem Paterson-Drehstab (Twizzle), um die Entwicklerflüssigkeit zu durchmischen.

Die Entwicklungszeit hängt u. a. davon ab, wie oft und wie kräftig agitiert wird.

Agitation ist für gleichmäßige, reproduzierbare Ergebnisse wichtig, weil sich der Entwickler an der Emulsionsoberfläche lokal erschöpft und Hemmstoffe (z. B. Bromid) anreichern. In stark belichteten Bereichen (Schwärzung im Negativ) läuft die Entwicklung zunächst schneller, bremst aber ohne Nachschub früher durch Erschöpfung.

In schwach belichteten Bereichen ist der Verbrauch geringer; dort wirkt die Bremse weniger.

Mit der Agitation durchmischt man den Entwickler und löst so das Konzentrationsgefälle an der Grenzschicht der Filmemulsion auf. Aber nicht immer ist eine möglichst häufige Agitation gewünscht, denn die gebremste Entwicklung in den stark belichteten Bereichen kann genutzt werden, um Zeichnung in den Lichtern zu erhalten.

Das Verhalten des Entwicklers in der Grenzschicht und die Auswirkung auf das Filmkorn, den Mikrokontrast (an den Kanten des Korns) und den Schärfeeindruck sind komplex und vom Entwickler abhängig, und vom Kontrastverhältnis der Aufnahmen.

Verlängerungsfaktoren bei veränderter Agitation

Falls man doch die Agitation ändern möchte um die Lichter zu retten, folgt hier eine Tabelle mit den Verlängerungsfaktoren für die Belichtungszeit.

Referenz ist die Kipp-Agitation 10 s / 1 min Inversion = 1,00. Also: 10 Sekunden lang Kippen, jede Minute wiederholen.

Schema (Inversion) Faktor auf Zeit Änderung FP4+ (125 ASA) HP5+ (400 ASA)
10 s / 1 min (Referenz) 1.0 ±0,0 % 15:00 11:00
10 s / 3 min 1.25 +24,6 % 18:41 13:42
5 s / 2 min 1.32 +31,9 % 19:47 14:31
10 s / 2 min 1.15 +14,9 % 17:14 12:38
5 s / 1 min 1.15 +14,9 % 17:14 12:38
5 s / 3 min 1.43 +43,1 % 21:28 15:44
10 s / 5 min 1.38 +37,9 % 20:41 15:10
5 s / 5 min 1.59 +58,5 % 23:47 17:26

Beispiel:

  • (FP4+): 5 Sekunden alle 3 Minuten: 15:00 × 1,431 ≈ 21:28 Minuten Entwicklungszeit.
  • (HP5+): 5 Sekunden alle 3 Minuten: 11:00 × 1,431 ≈ 15:44 Minuten Entwicklungszeit.

Geschüttelt, nicht gerührt

Beim Paterson-Tank liegt ein Drehstab dabei, mit dem man bei Tageslicht die Filmspule im Inneren in der Entwicklerflüssigkeit rotieren und damit den Konzentrationsausgleich des Entwicklers durchführen kann. Oder man verwendet den Deckel, mit dem sich der Tank verschließen lässt, und kippt den Tank (Inversion).

Wenn man sich die spiralförmig angeordnete Filmspule anschaut, wird schnell klar, dass die Rotation der Spule nicht zur selben Durchmischung der Lösung führt wie das Kippen des Tanks, bei dem Entwickler aus der Spule nach oben hinausläuft, sich im Tank mischt und dann wieder zurückläuft. Die Kipp-Agitation durchmischt daher stärker/zuverlässiger als die Dreh-Agitation.

Zusätzlich kann sich die Filmentwicklung in der Spulenmitte anders verhalten als am Rand: Der kleinere Radius bewirkt bei reiner Drehstab-Agitation einen geringeren Austausch, und die engen Kanäle begünstigen stabilere Grenzschichten. Das erhöht dort das Risiko für lokale Erschöpfung und streifenartige Ungleichmäßigkeiten (Bromide Drag), während die äußeren Windungen besser versorgt werden. Die Kipp-Methode erneuert den Entwickler im ganzen Tank und reduziert diese radialen Unterschiede deutlich.

Fazit: Für möglichst gleichmäßige Entwicklung ist Kipp-Agitation im Vorteil.

Wenn man dennoch den Drehstab verwenden will, muss die Entwicklungszeit angepasst werden. Ein praxisnaher Verlängerungsfaktor ist ≈ 1,07 (ca. +7 %).

Der chemische Prozess - einfach erklärt

Mit einer analogen Kamera fange ich das Licht ein und mache es im fotochemischen Prozess sichtbar. Das klingt zunächst esoterisch, ist aber tatsächlich sehr nah an der Wahrheit. Ich finde: Wenn man in die analoge Fotografie und Entwicklung eintaucht, lohnt es sich, den Prozess zu verstehen – zumindest auf Ebene eines Überblicks.

Beim Belichten treffen Lichtteilchen (Photonen) auf die lichtempfindliche Schicht des Films. Dabei entsteht an winzigen Stellen metallisches Silber – so kleine Lichtkeime, dass sie unsichtbar bleiben (man spricht vom Latentbild).

In der Entwicklung werden diese Lichtkeime chemisch vergrößert: Der Entwickler wandelt zusätzliches Silberhalogenid bevorzugt an den Keimen in sichtbares, schwarzes Silber um. Helle Motivstellen (viel Licht) haben mehr solcher Keime und werden im Negativ dunkler; dunkle Motivstellen bleiben heller.

Beim Fixieren wird das übrig gebliebene, nicht umgewandelte Silberhalogenid chemisch gelöst und beim Wässern vollständig aus der Schicht ausgespült. Das metallische Silber bleibt in der Schicht zurück – das ist das Bild.

Silberhalogenid ist das lichtempfindliche Material in der Filmschicht (Verbindungen aus Silber und Halogen), das in der Emulsion als winzige Kristalle vorliegt. Seine Eigenschaften machen den gesamten Ablauf überhaupt erst möglich:

  • Kristallbildung: Es liegt als Kristalle in Gelatine vor. In dieser geordneten Struktur lassen sich gezielt sogenannte Elektronenfallen anlegen. Trifft ein Photon auf den Film und setzt ein Elektron frei, kann es dort gefangen werden, anstatt zu verschwinden.

  • Wachstum der Lichtkeime bei der Entwicklung: Die kleinen Lichtkeime aus der Belichtung dienen als Startpunkte. Während der Entwicklung entsteht bevorzugt an diesen Startpunkten weiteres metallisches Silber – so wächst aus der unsichtbaren Spur ein sichtbares Bild.

  • Selektiv fixierbar: Das nicht entwickelte Silberhalogenid lässt sich im Fixierer chemisch in eine lösliche Form überführen und anschließend auswaschen. So bleiben nur die entwickelten Silberstellen im Film zurück.

  • Lichtundurchlässiges, stabiles Bild: Das entstehende metallische Silber ist dunkel und blockiert Licht (Negativprinzip). Es ist chemisch stabil und wird beim Fixieren/Wässern nicht gelöst – dadurch bleibt das Bild dauerhaft erhalten.

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