Eine Zweitageswanderung auf dem Hexenstieg von Rübeland nach Thale

Ursprünglich wollen mein Sohn und ich eine mehrtägige Radtour unternehmen. Doch dann entscheiden wir uns um – für eine Wanderung mit Übernachtung. Vielleicht liegt es an meinem frisch erschienenen Wanderbuch, das bei uns zu Hause die Lust aufs Wandern entfacht.

Da unser Zeitfenster früh im Jahr liegt und ich beruflich stark eingespannt bin, fällt die Wahl auf das Osterwochenende. Die Anfahrt von Berlin soll kurz sein, und natürlich soll es ein landschaftlich reizvolles Wandergebiet sein. Durch einen Kurzurlaub mit Moni in Blankenburg Anfang März recherchiere ich Touren rund um Thale und entdecke ich den Hexenstieg – ein Fernwanderweg, der der Bode folgt und durch wildromantische Schluchten führt.

Am Karfreitag fahren wir mittags los. Der Wetterumschwung ist deutlich spürbar: Von 26 Grad am Gründonnerstag sinkt die Temperatur auf 8-10 Grad – ideale Bedingungen zum Wandern, wenn man vorbereitet ist. Also wandern auch Regenjacke und wärmere Kleidung mit.

In Thale haben wir für die erste Nacht eine Ferienwohnung gebucht. Nach der Ankunft fahren wir zur Teufelsmauer, ich kenne bereits den Abschnitt bei Blankenburg, wo sie als massiver, zerklüfteter Felszug aus dem Wald ragt. In Thale dagegen wirkt sie ganz anders: flache, aufragende Steinplatten, die wie Mandelstücke aus einem Kuchen stecken. Da wir unsere Kräfte für den nächsten Tag schonen wollen, begnügen wir uns mit einer kleinen Runde über eine Obstwiese und genießen den Blick.

Die Teufelsmauer bei Thale/Neinsted
Die Teufelsmauer bei Thale/Neinsted

Die Bode bei Thale
Die Bode bei Thale

Wieder in der Ferienwohnung kochen wir uns mitgebrachte Nudeln; auf Essengehen haben wir nicht wirklich Lust, und es ist eh Karfreitag, wo viele Lokalitäten geschlossen haben.

Erster Tag: Von Rübeland nach Altenbrak

Am Samstagmorgen nieselt es, wie vorhergesagt. Ich hole in der nahen Bäckerei zwei Käsebrötchen und vier belegte Brötchen für unterwegs. Um 9:30 Uhr bringt uns ein vorbestelltes Taxi nach Rübeland. Auf meine Frage, wie die Leute aussehen, die den Hexenstieg von dort aus nach Thale gelaufen sind, antwortet die Fahrerin trocken: „Die sehen fertig aus.“

Nun gut, wahrscheinlich machen die dann längere Etappen als wir mit unseren 15 Kilometern.

Kaum steigen wir aus, hört der Regen auf – perfektes Timing. Ab dem Bahnhof Rübeland starten wir unsere Wanderung. Zunächst geht es auf Schotterwegen entlang der Straße, doch bald schon führt der Pfad durch den Wald, immer wieder nah an der Bode entlang. Wir klettern über umgestürzte Bäume, kriechen unter ihnen hindurch und balancieren über nasse Wurzeln. Der Boden ist feucht, manchmal matschig und glitschig. Genau das Wetter, das Feuersalamander mögen - und wir haben das Glück, einen zu Gesicht zu bekommen! An einer Bank legen wir eine kurze Pause ein – zu nass zum Sitzen, also essen wir im Stehen einen Apfel und trinken Wasser.

Das Wanderzeichen Hexenstieg - eine Hexe auf dem Besen
Das Wanderzeichen Hexenstieg - eine Hexe auf dem Besen

Ein Feuersalamander am Weg
Ein Feuersalamander am Weg

Die Beine machen gut mit, nur das wiederholte Aufstehen nach dem Durchkriechen der Bäume fällt mit Rucksack auf dem Rücken schwer. Schließlich nähern wir uns der Rappbodetalsperre. Von weitem hören wir das Surren der Seilrutsche – eine Zipline, an der man wie ein Vogel über das Tal gleiten kann. Jauchzen und das Sirren der Rollen liegen in der Luft. Wir erreichen die zweite Staumauer und machen Rast: Brötchen, Wasser, Ausblick – und das Gefühl, den Großteil der Strecke geschafft zu haben.

Staumauer Rappbode
Staumauer Rappbode

Das letzte Teilstück verläuft auf breiten Wegen. Kein schmaler Steig mehr, kein Wurzelpfad – wir laufen locker durch. In Altenbrak erreichen wir das Gasthaus „Weißes Roß“, schön gelegen neben der hölzernen Kirche. Unser Wunsch nach getrennten Betten wurde erfüllt: ein Dreibettzimmer mit zwei abgetrennten Räumen, sehr angenehm.

Ich mache noch einen kleinen Spaziergang zur Kirche und weiter zum Café Fontane, das am Hang über dem Ort liegt. Die Terrasse bietet einen spektakulären Blick auf Altenbrak. Der Wirt ist frustriert – das Wetter, die gesperrte Straße, kein Betrieb. Ich trinke Cappuccino und Apfelschorle, während mir sein Enkel Gesellschaft leistet – ein kleiner Junge mit Fernglas, der die Hügel absucht und mir haarklein erklärt, was er sieht.

Blick vom Cafe Fontane auf Altenbrak
Blick vom Cafe Fontane auf Altenbrak

Abends essen wir in der Veranda des Gasthauses. Es gibt Schnitzel mit Bratkartoffeln – zwar Convenience Food, aber nach einem Wandertag ist es OK. Gegen halb acht zeigt sich die Sonne noch einmal. Wir freuen uns auf den Ostersonntag und hoffen auf etwas wärmere Temperaturen. Die 9 Grad des Tages haben uns zwar ncht wirklich gestört – aber in den Pausen kühlt man schnell aus.

Die hübsche Kirche in Altenbrak
Die hübsche Kirche in Altenbrak

Die Nacht ist ruhig, ich wache gewohnt früh auf. Dicker Nebel liegt über den Bergen – noch.

Zweiter Tag: Von Altenbrak nach Thale

Schon um 8 Uhr sitzen wir beim Frühstück. Mir genügt Kaffee und ein Brötchen, dann wird uns noch Rührei angeboten, das wir gerne annehmen. Um 9 Uhr brechen wir auf. Die Sonne kommt durch, vertreibt den Nebel – es verspricht ein traumhafter Wandertag zu werden.

Bode bei Altenbrak im Nebel
Bode bei Altenbrak im Nebel

Wir überqueren die alte Bode, folgen einem Höhenweg in der Morgensonne und stoßen bald wieder zur Bode hinunter. Ein schmaler Pfad führt uns am Fluss entlang bis nach Treseburg. Kurz vor dem Ort passieren wir einige Villen aus dem 19. Jahrhundert, gebaut aus den Steinen der alten Treseburg. Der Ort Treseburg selbst liegt malerisch an der Mündung der Luppbode – eine friedliche, hübsche Siedlung im Tal.

Villen im Bodetal
Villen im Bodetal

Wenige Kilometer später erreichen wir den eindrucksvollsten Abschnitt der Wanderung: das Bodetal zwischen Treseburg und Thale. Die Schlucht verengt sich, die Felswände rücken näher. Der Weg ist schmal, an vielen Stellen mit Geländern gesichert. Es geht über Geröllfelder und steinige Pfade, manchmal direkt an den Steilhängen entlang.

Wandern an Steinwänden
Wandern an Steinwänden

Wandern direkt an der Bode
Wandern direkt an der Bode

Tief unten rauscht die Bode – wir raten, wieviel Meter tiefer sie wohl liegt - sind es 20, sind es 40 Meter? Am Ende, so denke ich, sind es über 100 Meter.

Immer wieder geht es bergauf, mit Gepäck auf dem Rücken. Die Wanderwege füllen sich – mehr und mehr Tagesausflügler begegnen uns. Wir überholen, werden überholt, und ringen uns unseren Rhythmus zurück. Schließlich erklimmen wir einen letzten Anstieg – und werden mit einem grandiosen Blick auf die Felsen, die Schlucht und die Bode belohnt.

Gewaltige Felsen im Bodetal
Gewaltige Felsen im Bodetal

Dann beginnt der Abstieg in Serpentinen. Wir überqueren die Teufelsbrücke, die dramatisch über das Wasser gespannt ist und die Wände des Canyons verbindet. Doch ab hier kippt die Stimmung: Der Pfad wird zur Touristenroute, das Stimmengewirr nimmt überhand. Zwischen Hexentanzplatz und Rosstrappe reihen sich Ausflügler, Kinder, Hunde, Wanderstöcke – der Wald wird zur Kulisse eines Vergnügungsparks. Wasserrutsche, Seilbahnstation, Buden.

Wenige hundert Meter weiter stehen wir wieder an unserem Auto. Die Wanderung ist geschafft. Zwei Tage Harz, zwei Tage Bode, zwei Tage Auszeit. Und irgendwo in uns rauscht sie weiter – die Bode, durch den „Hexenkessel“ in unseren Erinnerungen.

Die Bode bei der Teufelsbrücke
Die Bode bei der Teufelsbrücke

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