Wie ich als 9-jähriger mit einer Kassettenkamera das Fotografieren lernte

Agfa ISO PAK C
Agfa ISO PAK C

Einen Bericht über die Kassetten-Kompaktkamera ISO PAK C von Agfa schreibt man wohl nur, wenn man eine persönliche Beziehung zu diesem Apparat hat – denn aus technischer Sicht handelt es sich um eine denkbar einfach konstruierte Kamera.

Weil es meine erste Kamera war – und weil es beim Fotografieren nicht immer um Technik gehen sollte –, will ich ihr hier ein kleines Denkmal setzen.

Erste Bilder, erste Gewohnheiten

Ich bekam sie als Neunjähriger zu Weihnachten. Schon früh war ich fasziniert von dem, was mein Vater mit seiner Voigtländer Vitessa T veranstaltete – eine Kamera, die ich einige Jahre später selbst übernehmen durfte. Rund zehn Filme habe ich Anfang der 70er mit der ISO PAK C belichtet, in Farbe und Schwarzweiß.

Die Bilder von damals liegen so lange zurück, dass ich mich kaum an die Situationen erinnere, in denen sie entstanden. Dafür sind mir die Fotos selbst vertraut – ich habe sie oft betrachtet, kenne den eingefrorenen Moment fast auswendig. Das Davor und Danach aber ist verblasst.

Und doch erzählen die Bilder ihre eigenen Geschichten. Auf einigen ist in der oberen Ecke ein Finger zu sehen – meine Hand, mit der ich das Objektiv abschattete, um Gegenlicht zu vermeiden. Diesen Trick der Handblende hatte ich mir bei meinem Vater abgeschaut. Ich mache das heute noch – ganz selbstverständlich, wenn ich mit alten Kameras ohne Streulichtblende unterwegs bin. Als mich einmal ein Bekannter dabei beobachtete, musste er lachen – er hatte das ewig nicht mehr gesehen und erinnerte sich plötzlich an seinen eigenen Vater.

Das Gruppenfoto als Familienritual

Auch eine andere fotografische Angewohnheit hat sich früh eingeprägt. Bei uns – und vermutlich in vielen Familien – gehörten Gruppenbilder zum Ferien- und Festprogramm: alle in einer Reihe, alle schauen in die Kamera. Rückblickend erstaunt mich, wie viele solcher Aufnahmen ich als Jugendlicher selbst gemacht habe. Offenbar ließ sich die Verwandtschaft gerne in Pose bringen – und auch Freunde aus der Grundschule standen bereitwillig Modell für den Knirps mit der ISO PAK.

Nun wird mir klar, warum das in meiner eigenen Familie ganz normal ist, dass wir uns gegenseitig fotografieren. Bei Feiern braucht es keinen langen Anlauf: Irgendwann stehen wir im Garten, ich richte die Kamera aus, und wir formieren uns zum Familienbild. Auch Milli soll bitte in die Kamera schauen. Manche Freunde sind beim ersten Mal irritiert – und lassen sich dann doch meistens mitreißen.

Der Mut, Menschen zu fotografieren

Es geht um mehr als Technik. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem sich Menschen zeigen. Ich weiß nicht genau, wie ich das damals gemacht habe. Vielleicht war es einfach ganz normal – für mich als Fotografen, aber auch für die Fotografierten, die sich automatisch ausrichteten wie Eisenspäne in einem Magnetfeld, sobald die Spannung anliegt. Auch die Nähe, die beim Gruppenfoto entsteht, hilft: Sie bricht das Eis und schafft eine Vertrautheit, die sich im Bild spiegelt.

Es braucht offenbar nicht viel Apparat, um zu lernen, solche Bilder zu machen. Eine ISO PAK hat mir genügt – und die Unbekümmertheit der frühen Jugend, als man seiner Neugier folgen durfte, getragen von dieser wunderbaren kindlichen Lebensfreude.

Wie komplex das Zusammenspiel zwischen Fotograf und Model ist, habe ich vor einem Jahr beim Andreas Jorns Meetup auf Usedom erlebt. Und es war interessant zu erkennen, wie wenig die Kameratechnik dort ein Thema war – nicht, weil sie unwichtig wäre, sondern weil sie nicht stören darf in dem Moment der Intimität, der festgehalten werden soll.

Einfach Fotografieren heute

Wenn ich meine ersten Erfahrungen mit der ISO PAK C betrachte, wird mir bewusst, wie sehr sich das Fotografieren verändert hat – nicht nur technisch, sondern auch sozial. Heute tragen wir mit dem Smartphone ständig eine Kamera bei uns. Wir fotografieren mehr, spontaner, aber auch achtloser. Damals waren Fotoabzüge aufwendig, ein Bild kursierte nur, wenn man es herumzeigte oder vervielfältigte. Es gab keine digitale Öffentlichkeit, vor der man sich fürchten musste.

Heute teilen wir Bilder sofort. Das schafft Nähe, aber auch neue Risiken: Ein unvorteilhaftes Bild kann in Sekunden viral gehen. Vielleicht war das auch ein Grund, warum sich früher Menschen leichter fotografieren ließen – es war ein privater Akt, kein öffentlicher.

Beispielfotos

Das Land der Träume meiner Kindheit. Der Hahnenbach im Westerwald
Das Land der Träume meiner Kindheit. Der Hahnenbach im Westerwald

Mein erster Mitzieher! Trabrennbahn Meran
Mein erster Mitzieher! Trabrennbahn Meran

Blick auf die Terrasse des Schloss Labers
Blick auf die Terrasse des Schloss Labers

Lächeln! Jetzt darf ich auch mal aufs Foto
Lächeln! Jetzt darf ich auch mal aufs Foto

Scannen von Kassettenfilmen (126er-Negative)

Ich scanne mit einem Epson V800 Scanner und der SilverFast-Software – darin sind Filmstreifenhalter für den Kleinbildfilm enthalten. In diese Halter passen die 126er-Negative, allerdings verliert man oben etwas Bild, da der Kassettenfilm nur unten eine Perforation hat.

Da mir das manuelle Ausrichten mit anderen Haltern zu mühsam ist, akzeptiere ich den Beschnitt – allerdings sind ein paar Fotos tatsächlich unbrauchbar geworden. In Lightroom schneide ich dann meistens auf in der horizontalen etwas ab, damit das Bild wieder quadratisch ist.

In SilverFast kann man den Filmhersteller und die Filmsorte auswählen, der Scanner wendet dann ein automatisches Farb- und Gradationsprofil an. Damit bin ich nicht weit gekommen – die Filme sind über die Zeit verblasst, viele Filmsorten nicht auswählbar. Ich bin einfach durch die Liste gegangen, bis eine gepasst hat (Proof im Vorschauscan). Den Rest habe ich in Lightroom angepasst.

Die Scanergebnisse der Farbfilme waren besser als die der Schwarzweißfilme, da SilverFast eine Infrarot-Staubentfernung bietet – diese funktioniert jedoch nur bei Farbemulsionen.

Grobe Störungen habe ich dann manuell in Lightroom korrigiert. Zwei stark zerkratzte Negative habe ich mit Gemini bereinigen lassen. Die hier im Blog gezeigten Fotos sind nicht KI-korrigiert.

Digitalisieren der 126er Filme
Digitalisieren der 126er Filme

FAQ zur Agfa ISO PAK C

Welche Verschlusszeiten hat die Agfa ISO PAK C?

Die Kamera bietet zwei feste Verschlusszeiten, die über Wettersymbole gewählt werden:
Sonne steht für etwa 1/80 Sekunde, Wolken für ca. 1/40 Sekunde.

Hat die Kamera eine einstellbare Blende?

Nein. Die Blende ist fest auf f/11 eingestellt. Das reicht für Tageslichtaufnahmen und sorgt für eine große Schärfentiefe.

Ist das Objektiv fokussierbar?

Nein. Die ISO PAK C ist eine Fixfokus-Kamera. Sie bildet Motive ab etwa 1,8 m Entfernung bis unendlich scharf ab. Für Nahaufnahmen konnte eine separate Linse aufgesteckt werden.

Wie funktioniert der Blitz?

Die Kamera nutzt Blitzwürfel, die aufgesteckt werden. Jeder Würfel enthält vier Einweg-Blitze, die sich nach jeder Auslösung automatisch weiterdrehen. Für die Zündung werden Batterien benötigt, die im Kameraboden eingelegt werden.

Welchen Filmtyp verwendet die Kamera?

Die ISO PAK C verwendet den 126er-Kassettenfilm, der sich sehr einfach einlegen lässt – ganz ohne Einfädeln oder Rückspulen.

Wie groß ist das Bildformat?

Der Filmstreifen ist so breit wie Kleinbildfilm, das Bildformat ist jedoch quadratisch – etwa 28 × 28 mm. Dieses Format ist typisch für 126er-Kameras und prägt ihre Bildwirkung.

Welche 126er-Kameras waren Alternativen zur ISO PAK C?

Neben einfacheren Kameras wie den Kodak Instamatic-Modellen gab es auch technisch anspruchsvollere 126er-Kameras:

  • Rollei A26 mit hochwertigem Zeiss-Objektiv
  • Kodak Instamatic Reflex oder Contaflex 126 – beides echte SLRs mit Wechselobjektiven und Belichtungsmessung

FAQ zum 126er-Kassettenfilm

Zwei bessere Kassettenkameras: Rollei A26 und Agfamatic Sensor 200
Zwei bessere Kassettenkameras: Rollei A26 und Agfamatic Sensor 200

Kamerarückseite Agfamatic Sensor mit eingelegtem 126er-Film
Kamerarückseite Agfamatic Sensor mit eingelegtem 126er-Film

Was ist der 126er-Film?

Der 126er-Film ist ein Kassettenfilmformat, das 1963 von Kodak unter dem Namen „Kodapak“ eingeführt wurde. Er war gedacht für einfache Kameras und besonders benutzerfreundlich: Der Film lag in einer lichtdichten Kunststoffkassette und musste nicht eingefädelt werden.

Warum wurde der 126er-Film entwickelt?

Ziel war, das Fotografieren massentauglich zu machen. Der 126er-Film sollte es ermöglichen, dass auch Einsteiger – Kinder oder Familien – problemlos mit Fotografie beginnen konnten, ohne technische Hürden beim Filmeinlegen oder Rückspulen.

Wie groß ist das Bildformat?

Das Bildformat beträgt etwa 28 × 28 mm – also quadratisch. Die Filmstreifen selbst haben die gleiche Breite wie Kleinbildfilm (35 mm), das aufgenommene Bild ist durch eine Maske quadratisch.

Wie viele Bilder passten auf eine Kassette?

Je nach Variante enthielt eine Kassette 12, 20 oder 24 Aufnahmen. Alle Bilder im quadratischen Format.

Was sind die Vorteile des 126er-Films?

  • Sehr einfache Handhabung beim Einlegen
  • Kein Rückspulen nötig
  • Robuste, lichtdichte Kunststoffkassette
  • Ideal für Einsteiger und Gelegenheitsfotografie

Was sind die Nachteile?

  • Deutlich geringere Bildqualität im Vergleich zum 35 mm-Kleinbildfilm
  • Kaum Möglichkeit zur Kontrolle von Belichtung oder Bildgestaltung
  • Heute kaum noch frisches Filmmaterial erhältlich
  • Aufgrund der Kassettenkonstruktion häufig schlechte Planlage des Films, was zu Unschärfen oder Verzeichnungen führen konnte

Warum hat sich der 126er-Film langfristig nicht durchgesetzt?

Auch wenn er viele Nutzer fand, waren seine technischen Einschränkungen bald sichtbar: Das quadratische Format galt als unmodern, die Bildqualität reichte für ambitionierte Fotografie nicht aus. Ab den 1970ern kamen kompaktere Systeme wie der 110er-Film oder verbesserte 35 mm-Kompaktkameras auf den Markt – sie verdrängten das 126er-Format nach und nach.

Wann wurde der 126er-Film eingestellt?

Kodak stellte die Produktion des 126er-Films zum 31. Dezember 1999 ein. Der italienische Hersteller Ferrania produzierte ihn noch vereinzelt bis etwa 2007, danach wurde der Film weltweit eingestellt.

Gibt es heute noch 126er-Film zu kaufen?

Nein, nicht regulär. Nur noch vereinzelt tauchen alte Lagerbestände auf. Manche Foto-Enthusiasten nutzen wiederbefüllte Kassetten oder basteln sich Adapterlösungen, um 35 mm-Film in alten 126er-Kameras weiterzuverwenden – oft mit Hilfe von 3D-gedruckten Kassetten.

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