Fischadler, Russengraben, Gletscherzunge und jede Menge Singvögel: das Marzahner Fenn nördlich vom Beetzsee

Marzahne

Es ist 7:30 Uhr, als ich in Marzahne ankomme. Beim Gasthaus “Marzahner Eck” parke ich das Auto. Hinweistafeln zu Wanderrouten und zum Fenn stehen hier, doch die Routen zeigen nur den Storchenwanderweg und die Verbindungen zwischen den Orten an - eine Kennzeichnung der Wege hier direkt am Fenn fehlt. Auch die obligatorische Tafel zur Storchenpopulation in Marzahne ist aufgestellt, doch der Storch scheint die letzten Jahre nicht mehr Marzahne zu besuchen.

Ein großes Kornfeld ragt bis an die Straße heran; die Sonne streicht darüber und wärmt mich. Es ist noch frisch, etwa 13 Grad. Zwei Frauen sitzen auf einer Bank an einer alten Scheune am Feld, und reden und lachen. Ich laufe los.

Dorfrand Marzahne
Dorfrand Marzahne

Marzahner Fenn

Das Marzahner Fenn ist ein langgestreckten Becken, dass durch einen Gletscherausläufer (Gletscherzunge) geformt wurde. Umrandend wird es von einer Kette von Endmoränenhügeln: Mühlenberg, Rabenberg, Fuchsberg, Butzower Berg, Fichtenberg und Eisberg; bis zu 77 Meter sind sie hoch und ragen somit aus der Landschaft heraus. Am Südwestende des Fenns liegt der schwarze Berg, der mit 89 Metern etwas höher ist. Der Berg hat mich auf dem Rückweg gequält, dazu später mehr.

Das Fenn ist Naturschutzgebiet und darf nur “extensiv” genutzt werden, das bedeutet, dass die Landwirtschaft nur schonend mit dem Boden umgehen darf: Kein Umbruch des Bodes, Grünland darf nicht zu Acker werden; keine Düngung, kein Pflanzenschutz, keine Trockenlegung (Drainage).

Fischadler über dem Fenn
Fischadler über dem Fenn

Das Marzahner Fenn
Das Marzahner Fenn

Russengraben

Urspünglich war das Fenn ein Sumpf, der im ersten Weltkrieg trockengelegt wurde. Russische Kriegsgefangene mussten das erledigen, und so erhielt der Entwässerungsgraben, der in der Mitte des Fenns verläuft, seinen Namen: Russengraben.

Die Entwässerung hat nicht richtig funktioniert. Durch die Trockenlegung und Bearbeitung des Bodens sackte dieser ab und vernässte erneut. 1973-1974 wurde das Fenn wieder entwässert. Am Südende entstand durch Torfstich ein See.

Nun ist das Fenn ein Naturschutzgebiet.

Naturlehrpfad

Das Schild zeigt in die Richtung des Naturlehrpfades, auf diesem Pfad will ich ein Stück wandern. Der Lehrpfad verläuft hinter der Hügelkette des Fenns. Ich war schon einmal hier und wollte um das Fenn laufen; damals hab ich den Weg direkt am Fennbecken gewählt. Doch leider endet dieser irgendwann bei einer Hütte, und wir mussten den ganzen Weg zurückgehen. Frustriert haben wir dann auf die Umrundung verzichtet.

Der Naturlehrpfad ist also die bessere Variante als der Irrweg zur Hütte. Es geht zunächst zwischen Feldern auf den Wald zu. Rechts begleitet mich das Kornfeld, links sind die langen Furchen des Spargelanbaus zu sehen. Weiter hinten erblicke ich ein gutes Dutzend Menschen bei der Ernte. Es geht an Buschwerk vorbei; die Blüten der Hagebuttensträucher tupfen Farbe in das Grün.

Am Waldrand dann eine Bank, der Rundweg des Lehrpfades beginnt und endet hier. Ich laufe gerade weiter. Der Kiefernwald ist licht; Moos und Gräser am Waldboden und eine Menge Mücken. Heute hab ich Mückenspray dabei, das hilft.

Was ist ein Lehrpfad ohne Lehrtafeln? Neben allgemeinen Infos zum Wald finden sich einige interessante Informationen zur Nutzung des Fenns und zur Fauna und Flora:

  • Habicht, Milan, Bussard und Sperber machen hier Beute (es fehlt der Fischadler, den ich gesehen hab),
  • Feldlerche, Goldammer, Buchfink, Rotkehlchen, Baumpieper und Zilpzalp sorgen für die akustische Untermalung
  • Pilzfreunde kommen auch auf ihre Kosten, wie mir die Angler am Torfstichteich später bestätigen werden: Parasol, Pfifferling, Steinpilz, Fette Henne und Maronen-Röhrlinge sind die Speisepilze, die hier wachsen.

Nach einem kurzen Stück im Wald gabelt sich der Weg und ich komme zum Fenn. Eine Strommasten laufen hier durch, da kann man sich dran stören, muss man aber nicht. Auf einem der Strommasten entdecke ich auch ein Vogelnest - ob Adlerhorst oder Storchennest kann ich nicht sagen.

Der Lehrpfad will hier wieder zurück nach Marzahne, ich gehe weiter. Ein Hochsitz schenkt mir Blicke ins Fenn, eine Bank unter einer Eiche eine Sitzgelegenheit.

Rastplatz unter großer Eiche
Rastplatz unter großer Eiche

Dünenheide

Links von mir zweigt ein Pfad ab, hier geht es zur Dünenheide: Kiefern auf sandigem Boden; Flechten. Es erinnert mich an die Binnendünen Altwarp am Stettiner Haff. Bevor ich alles zertrampel, geh ich lieber wieder zurück zum Wanderweg.

Wanderung am Fenn

Der Weg ist hier waldig: Laubbäume und Sträucher schaffen einen richtigen Urwald. Es tschilpt und zwitschert aus hundert Kehlen! Ein Feuchtgebiet muss hier in der Nähe sein, denn der Vogelgesang wird untermalt von Froschquaken.

Die Nordostspitze des Fenns hab ich umrundet, nun geht es auf der Südseite weiter. Der Weg verläuft zunächst im, dann am Wald, später gehe ich auf einem Feldweg, teilweise durch eine Baumreihe von der nun heißen Pfingstsonne geschützt.

Wie lang das Fenn ist! Weit hinten glitzert der Torfstichsee am anderen Ende des Fenns.

Wanderweg am Marzahner Fenn
Wanderweg am Marzahner Fenn

Moränenhügel am Wegesrand
Moränenhügel am Wegesrand

Kuhherde im Fenn
Kuhherde im Fenn

Weg durch die Felder
Weg durch die Felder

Torfstichsee

Der Torfstichsee ist ein rechteckiger, mit 1,6 Metern Tiefe relativ flacher See. Ein paar Autos stehen am Rand, und ich finde einen Weg dorthin. Mit zwei Anglern komme ich ins Gespräch: Karpfen (“25 Kilo - hab ihn kaum aus dem See ziehen können!”), Aal und Schleie lassen sich fangen, aber heute hing noch nichts an der Angel.

Als ich sage, dass ich einen Wanderführer schreibe, ernte ich lange Gesichter: “Da kommen dan ja noch mehr Menschen her”, in Radewege käme man am Wochenende ja kaum noch durch. Aber die beiden lassen es sich dennoch nicht nehmen, mich mit Tipps zu überschütten. Apropos Radewege, ob ich die Fischteiche dort kenne? Und die Wälder hinter Kieck sind voller Pilze, und ob ich schon beim Forsthaus war, mit der Trinkwasserquelle? Hoffentlich kann ich mir das alles merken.

Ich verabschiede mich und ziehe weiter.

Angler am Torfstichsee
Angler am Torfstichsee

Der schwarze Berg

Es dauert noch etwas, bis ich an die Landstraße L 98 eintreffe, die das Fenn abgrenzt. Auf der anderen Straßenseite hat die Leitplanke eine Aussparung, da muss ein Weg sein, oder zumindest gewesen sein. Es geht über holprige Buchsteine und durch hohe Gräse und Brennesseln - hoffentlich hört das bald auf. Dann ist der Boden sandig, so sandig wie ein Strand, nur mit Wurzeln und bergauf.

Die Landschaft hier ist faltig wie ein zerknautschts Laken, die Schluchten erinnern mich an die Murellenschlucht. Schwitzend und fluchend erreiche ich die Spitze des schwarzen Bergs, ein Reh schaut mich ruhig an und geht dann weg. Der Weg indes geht sandig weiter, insgesamt 2,5 Kilometer stapfe ich durch den märkischen Sand, dann komme ich auf einen Feldweg mit Bäumen links und rechts - welch Wohltat, fester Boden unter den Füßen!

Der Schwarze Berg am südwestlichen Ende des Fenns
Der Schwarze Berg am südwestlichen Ende des Fenns

Marzahne

Zurück in Marzahne muss ich noch durch das Strassendorf laufen, um zum Auto zurückzukehren. Bei der Kirche mache ich kurz Halt. Leider ist sie verschlossen, aber neben der Kirche steht die hohe Kirchturmspitze, als hätte das Gotteshaus zum Gruß den Hut abgenommen.

Dorfkirche Marzahne
Dorfkirche Marzahne

Jetzt zurück nach Hause; Beine hoch legen, Kaffee trinken, Fotos anschauen.

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