Ein Pionier und Klassiker des Objektivbaus: das Flektogon 35mm 2.8. Ich hab es an der Sony a7 ausgiebig ausprobiert.

Seit einem halben Jahr besitze ich eine Sony a7 Vollformatkamera, die ich für unverschämt wenig Geld erwerben konnte. An diese Kamera kann ich nun ohne Crop die “analogen”, manuellen Objektive montieren.

Neben den lichtstarken 50mm Objektiven hat es mir vor allem das Flektogon angetan. Bei unserer jährlichen Seminarwoche in Lübbenow hatte ich Kamera und Linse dabei, um sie in verschiedenen Situationen zu nutzen.

Flektogon - an analoger Exakta Varex und an digitaler Sony a7
Flektogon - an analoger Exakta Varex und an digitaler Sony a7

Pionier des Weitwinkels für Spiegelreflex: Flektogon 35mm

Zunächst ein paar Worte zur Geschichte des Objektivs. Weitwinkelobjektive haben eine kurze Brennweite, der Abstand zur Bildebene (Sensor oder Filmbühne) ist kurz. Die in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts beliebt gewordenen Spiegelreflexkameras aber erfordern konstruktionsbedingt ordentlich Platz zwischen Objektiv und Bildebene, denn dort ist der klappbare Spiegel montiert.

Normalobjektive (Brennweite 50mm) und länger haben damit keine Probleme, Weitwinkelobjektive dagegen schon. Denn bei dem M42 Objektivanschluss beispielsweise beträgt dieser Mindestabstand (Auflagemaß des Bajonetts) immerhin stolze 45 mm. Die 50mm des Normalobjektivs passen also, ein 35mm dagegen nicht.

Die Linsenkonstrukteure des Carl Zeiss Jena Unternehmens haben mit dem Flektogon den Abstand zwischen Objektiv und Bildebene (“Schnittweite”) künstlich verlängert, ohne den Bildwinkel zu verändern - eine große Zerstreuungslinse an der Frontseite des Objektivs schafft Platz “nach hinten” (vereinfacht ausgedrückt). Je weiter diese Zerstreuungslinse nach vorne montiert wird, umso mehr verlängert sich die Schnittweite und der Platz nach hinten.

Objektive, die über solche Konstruktionen die Schnittweite verlängern, ohne die eigebtliche Brennweite bzw. den Bildwinkel zu veränden, werden Retrofokus Konstruktionen genannt. Retro Fokus - nach hinten verlagerte Schärfeebene.

Flektogon an analoger Varex IIa
Flektogon an analoger Varex IIa

Spezifikationen

Das Flektogon hat 6 Linsen verbaut. Je mehr Linsen, desto besser lassen sich optische Fehler korrigieren. Aber das gibt es nicht umsonst: Je mehr Linsen, desto mehr störende Lichtreflexionen gibt es im Inneren des Objektivs zwischen den Glasflächen. Mit Erfindung der Vergütung konnten diese Reflexionen reduziert werden, allerdings ist das Flektogon ein altes Objektiv, bei der die Vergütung noch nicht so effektiv war wie heute.

Die Lichtstärke beträgt 2,8, was für damalige Zeiten lichtstark war. Heute sind Lichtstärken um 1.4 für ein 35mm erhältlich, das sind immerhin 2 Blendenstufen mehr.

Die Naheinstellgrenze meines M42-Flektogon beträgt 18 Zentimeter, wobei das ab Bildebene (Sensorebene) gerechnet wird. Das ist schon verdammt nah an der Frontlinse!

Mein Exakta-Flektogon dagegen hat eine Naheinstellgrenze von “nur” 36 Zentimetern.

Beide Flektogone besitzen 5 Blendenlamellen; das ist sparsam. Ich meine aber, dass es auch Flektogon-Varianten mit deutlich mehr Lamellen gibt.

Retrofokus an digitalen Kameras

Wenn man die aktuelle Entwicklung des (digitalen) Kamerabaus verfolgt, stellt man fest, dass das Spiegelreflexsystem tot ist; die Vorteile der digitalen spiegellosen Systeme sind einfach überzeugend: kleinere Gehäuse, weniger anfällige mechanische Vorgänge (Klappen des Spiegels), echte Bildvorschau über den integrierten EVF.

Jetzt könnte man denken, dass man ohne Spiegelkasten auch die Retrofokus-Objektive nicht mehr braucht. Aber leider lassen sich die kompakten, Nicht-Retrofokus Objektive nicht bedenkenlos an den digitalen Systemkameras verwenden, denn bei kurzem Auflagemaß treffen die Lichtstrahlen schräg auf den Sensor, und das gibt störende Reflexe und Abschattungen. Analoger Film hat damit weniger Probleme, Sensoren sind dafür empfindlich. Die Retrofokus-Konstruktionen sind also die bessere Wahl, wenn man Weitwinkel an digitale Sensoren schnallt. Einzig Leica hat mit der M und der SL beim Sensor-Design darauf geachtet, dass auch schräg einfallende Strahlen problemlos abgebildet werden können.

Flekogon 35mm 2.8 an der Sony a7

Genug der Vorrede, Zeit für die Praxis. Die Sony a7 Serie ist schon lange auf dem Markt (heuer sind es 10 Jahre), und es gibt für nahezu jedes Bajonettsystem passende Adapter. Ich habe ein Flektogon für das Exa Bajonett und eines für M42. Da ich das Exa Bajonett etwas hakelig finde, nutze ich lieber das M42 Flektogon.

Zusammen mit dem Adapter ergibt sich schon ein ziemlich langer Tubus. Kompakt ist das nicht (wie bei einer M Kamera), aber es lässt sich gut bedienen.

Dass es sich um eine manuelle Linse handelt, sollte klar sein - der Fokus und die Blende werden von Hand eingestellt. Um die Scharfstellung zu erleichtern, hab ich mir bei meiner Sony eine Lupenfunktion auf einen Button gelegt, und außerdem die Kantenhervorhebung eingeschaltet - was scharf ist, wird rot dargestellt.

Der Sucher der Sony a7 ist nicht das Meisterstück eines EVF (verglichen mit heutigen Kameras), aber mit Lupe und Kanten-Highlighting klappt das Scharfstellen ganz gut. Und irgendwie passt eine ältere Digitalkamera auch besser zu einem Vintage-Objektiv :-)

Flektogon mit Adapter an digitaler Sony a7
Flektogon mit Adapter an digitaler Sony a7

Abgeblendet: Überzeugende Schärfeleistung

Bei meinem Morgenspaziergang habe ich den Weg mit Bäumen und Ästen aufgenommen - das ist immer ein schwieriges Metier, bei dem man die Schärfeleistung und Farbfehler gut erkennen kann.

Hier hat mich das Flektogon ziemlich überzeugt. Auch in den Ecken war die Schärfeleistung brauchbar. Natürlich nicht auf dem Niveau moderner Qualitätslinsen, aber auch nicht viele Stufen darunter.

Flektogon: Abgelendet - überzeugende Schärfeleistung
Flektogon: Abgelendet - überzeugende Schärfeleistung

Vintage-Blur

Das Objektiv ist recht ausgewogen und nicht hochlichtstark; den Swirl-Effekt, bei dem sich der unscharfe Hintergrund um die Bildmitte krümmt, ist nicht so leicht herzustellen, aber beim richtigen Motiv bekommt man es hin. Eigentlich ist das ein Effekt, den man in modernen Optiken nicht gerne sieht; ich finde aber, dass er bei manchen Motiven den passenden Vintage Look zaubert.

Tipp für den Swirl: Ein einheitlicher Hintergrund mit kleinern Objekten funktioniert ganz gut.

Flektogon: Offenblende Swirl
Flektogon: Offenblende Swirl

Bokeh und Background Blur

Sind die Motive nah genug an der Linse, bekommt man auch eine gewissen Freistellung hin, das Bokeh ist dabei schön und ruhig.

Tipp: Bildwichtige Teile sollten dabei nicht am Bildrand sitzen, sonst kann der Swirl verzerrend wirken (wie beim letzten Bild mit den Löwenstatuen)

Flektogon: Überzeugende Leistung im Nahbereich
Flektogon: Überzeugende Leistung im Nahbereich

Flektogon: Schöne Farben, schönes Bokeh
Flektogon: Schöne Farben, schönes Bokeh

Flektogon: Offenbende Nahbereich
Flektogon: Offenbende Nahbereich

Flektogon: Offenblende Indoor
Flektogon: Offenblende Indoor

Löwenstatuen - unschöne verzerrte Unschärfe rechts unten beim Löwenkopf
Löwenstatuen - unschöne verzerrte Unschärfe rechts unten beim Löwenkopf

Gegenlicht ist kritisch

We zu erwarten macht Gegenlicht Probleme. Bei diesem Foto vom Löwenzahn gab es zwar keine Flares, aber der Kontrast des Bildes wurde drastisch reduziert.

Flektogon: Gegenlicht ist kritisch
Flektogon: Gegenlicht ist kritisch

Fazit

Das Flektogon überrascht: Es ist abgeblendet scharf, ausgewogen, hat schönes Bokeh und eine nahezu konkurrenzlose Naheinstellgrenze. Am digitalen Vollformat-Sensor einer Sony a7 / ILCE-7 funktioniert es gut, und die Fotos bieten auch noch Spielraum bei der digitalen Nachbearbeitung. Es ist den Fotos nicht unbedingt anzusehen, dass sie mit einer 60 Jahre alten Optik aufgenommen wurden - manchmal hätte ich mir ein Quentchen mehr Vintage-Look gewünscht, aber das Flektogon ist einfach damals schon zu gut gewesen.

Wie viel kostet ein 35mm Flektogon?

Am Besten ist es natürlich, wenn man einen solchen Objektiv-Klassiker zusammen mit anderen Dingen in einer kleinen Ausrüstung oder Sammlung erwirbt; da sind dann häufig ein paar Objektiv-Überraschungen mit dabei.

Ich hatte mir erst das Exakta Flektogon bei Ebay gekauft, und 65 € dafür bezahlt. Ein halbes Jahr später habe ich einen ganzen Karton voller Kameras und Objektive für 30 € bekommen, wo das M42 Flektogon Objektiv dabei war.

Stand heute werden für die 35mm Flektogone zwischen 50 € und 100 € bei Ebay gezahlt; Tendenz 100 €. Bei Händlerangeboten auch bis zu 150 €. In jedem Fall sollte man schauen, dass man Rückgaberecht hat. Bei Ebay konzentriert sich (Stand heute) die Mehrzahl der Angebote für das Exakta Bajonett; ich würde bei der Adaption an Digitalkameras eher auf das universellere M42 System gehen.

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