Wanderung durch Fließwiese, Murellenschlucht und Schanzenwald in Ruhleben; Nachdenken an der Erschießungsstätte der NS Diktatur

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Die Murellenschlucht liegt in Ruhleben am Beginn der Havelchausee zwischen Tiefwerder und dem Olympiastadion; da die S-Bahn ebenfalls neben der Havelchausse langfährt ist das Gebiet durch einen Zaun geschützt. Immer wenn ich die Havelchaussee lang geradelt bin, hab ich mich gefragt was wohl in diesem Gebiet zu finden sei und wie man auf es gelangt.

Recherchen bei Wikipedia offenbahrten, dass dort einige Dinge von Interesse sind:

  • Die Murelleschlucht, das durch die letzte Eiszeit geformte hügelige Relief; als Fortsetzung der Niederung der Tiefwerder Wiesen gegenüber
  • Durch militärische Nutzung als Übungsareal zusätzliche Bodenformen (Schützengräben)
  • Eine Gedenkstätte für die Opfer der NS Militärjustiz

Nachdem mein Freund Boris nun vor ein paar Tagen dort war, haben wir uns entschlossen heute dort hinzugehen.

Fließwiese

Wir parken das Auto am U-Bahnhof Ruhleben und gehen die Fließwiesen entlang. Der Weg führt uns bei schwülen 30° angenehm im Schatten; die Fließwiese ist ein Feuchtgebiet links vom Weg, zahlreiche Hinweisschilder klären über die biologische Bedeutung dieses Naturschutzgebetes auf; es ist Habitat geschützter Libellen und Amphibienarten. Eine Ringelnatter kreuzt unseren Weg.

Fließwiese in Ruhleben
Fließwiese in Ruhleben

Fließwiese in Ruhleben
Fließwiese in Ruhleben

Zum Ende der Fließwiese beginnen die Murellenberge; wir klettern hinauf und entdecken unversehens große Verkehrsspiegel.

Denkzeichen zur Erinnerung an die Opfer der NS Diktatur

Die Spiegel sind eine Installation der Künstlerin Patricia Pisani, die mit ihrer Installation den hier von der NS Diktatur erschossenen Deserteuren gedenkt. Die Spiegel stehen auf einem Pfad, der zu der ursprünglichen Erschießungsstätte hinführt.

Die Intention der Künstlerin war es, mit den Spiegeln die Gefahren zum symbolisieren, die sich außerhalb des Sichtfeldes befinden. Außerdem öffnen sie Sichtachsen zur ursprünglichen, nunmehr unzugänglichen Erschießungsstätte.

Erinnerung an die Opfer der NS Militärjustiz
Erinnerung an die Opfer der NS Militärjustiz

Wir emfinden das anders. Man sieht sich an diesem Ort im Spiegel und fragt sich, wer man selber wohl gewesen wäre - Opfer oder Täter. An diesem Ort wurde erschossen, wer sich weigerte am Vernichtungskrieg des NS Regimes teilzunehmen.

Über 15.000 Deserteure und Wehrdienstverweigerer wurden insgesamt im dritten Reich hingerichtet. Die wenigen, die überlebten, hatten es schwer im Nachkriegsdeutschland und wurden als Feiglinge verachtet. “Der Soldat kann sterben, der Deserteur muss sterben”, diese Anweisung Hitlers wurde bei der Einweihung der Installation von dem NS Deserteur und Friedensaktivisten Ludwig Baumann wiederholt.

Bestattet wurden die Leichen dann in Spandau, auf dem Friedhof in den Kisseln, und hinter dem Hahneberg bei Engelsfelde/Seeburg. Es ist einem Schulprojekt des Stein-Gynasiums zu verdanken, dass sich in Engelsfelde nun ein Hinweisschild befindet.

Pfarrer Theile aus der Dorfkirche Staaken setzte sich zur Zeit der NS Diktatur für die Verfolgten des Nationalsozialismus ein. Er betreute unter anderem die todgeweihten Soldaten auf dem Weg zur Hinrichtung und kümmerte sich seelsorgerisch um die Hinterbliebenen. Heute erinnert eine Straße in Staaken an das Wirken Pfarrer Theiles.

Erinnerung an die Opfer der NS Militärjustiz
Erinnerung an die Opfer der NS Militärjustiz

Murellenschlucht uind Schießplatz

Wer verlassen den Ort der Erinnerung und steigen hinab in die Murellenschlucht. Hinter der dichten Blätterwand erahnen wir linker Hand die Umrisse der Waldbühne; wir laufen weiter und gelangen schließlich zu einer langestreckten Freifläche, dem ‘kleinen Schießplatz’. Weiter nördlich befindet sich immer noch ein Übungsgelände, nunmehr das der Berliner Polizei. Bis 1990 waren hier die die Briten stationiert, die Trainingsgebäude für den Straßenkampf aufgebaut haben, so klärt uns ein Mann auf, den wir treffen; und die Zäune waren nicht komplett geschlossen, so dass man hindurch konnte.

Vorne eine Blumenwiese, dahinter die Wälle der Murellenberge
Vorne eine Blumenwiese, dahinter die Wälle der Murellenberge

Der 'Kleine Schießplatz' - Schanzenwald in Ruhleben
Der 'Kleine Schießplatz' - Schanzenwald in Ruhleben

Schanzenwald

Um den Schießplatz herum weist der Boden viele Rinnen und Wälle auf, die aus Schützengräben angelegt wurden. Mittlerweile sind sie überwuchert.

Schützengräben im Schanzenwald
Schützengräben im Schanzenwald

Schützengräben im Schanzenwald
Schützengräben im Schanzenwald

Kleine Klette (Arctium minus) am Wegesrand
Kleine Klette (Arctium minus) am Wegesrand

Nachdenken

Vor ein paar Tagen sind wir durch die kleine Schorfheide gewandert, eine riesige Heidelandschaft, die vormals sowjetisches Militärgelände war (Kaserne Vogelsang) und nun ’nur noch’ Heide ist. Und auch die Döberitzer Heide, 10 Kilometer von unserem Wohnort entfernt, ist 200 Jahre lang genutztes Militärgelände, dass nun der Natur gehört. In beiden Gebieten hat man trotz schöner Landschaft immer die militärische Nutzung im Hinterkopf.

Hier in der Murellenschlucht ist das anders. Große Teile des Gebietes werden weiterhin für Übungen zu Kampfeinsätzen genutzt. Die militärische Vergangenheit wirkt in die Gegenwart fort.

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