Seit 2014 mache ich mit Boris jedes Jahr eine Radreise; dieses Jahr haben wir uns die Weser rausgesucht. Die Weser entsteht in Hann. Münden im Weserbergland durch den Zusammenfluss von Werra und Fulda und fließt mitten durch Deutschland in die Nordsee.

Anreise

Da Flixbus von Berlin nicht direkt nach Hann. Münden fährt, wählen wir den ICE bis Göttingen - dieser hat reservierungspflichte Stellplätze für Fahrräder. Ein armer Franzose, dessen eigentlicher Zug ausfiel und dewegen auf unseren auswich, wurde mangels Radreservierung kurzerhand in Braunschweig mitsamt Fahrrad aus dem Zug geschmissen.

Göttingen nach Hann. Münden

Anstelle eines Regios von Göttingen nach H. Münden wählen wir den Radweg. Es dauert eine Weile bis wir uns vom Städtischen in die Natur durchgearbeitet haben. Einige Höhenmeter sind zu meistern; hinter Dransfeld noch ein Anstieg dann rollen wir bergab nach Hann. Münden.

Weserbergland

Im Weserbergland lässt es sich trefflich radeln. Die Strecke läuft weitgehend entlang der Weser; lediglich wenn Hindernisse umfahren werden müssen, weicht der Weg auf die Hänge aus. Die Anstiege an den Hängen können ordentlich Kraft kosten, sind aber zum Glück nicht lang.

Da wir zur besten Ausflugszeit unterwegs waren (zwischen Himmelfahrt und Pfingsten), waren entsprechend viele Radler unterwegs; zumeist ältere Personen mit Pedelecs. Aber auch einen Brompton Fahrer trafen wir, der leichtfüßig nur mit einer kleinen Lenkertasche bepackt unterwegs war.

Die Ortschaften sind lieblich, die Häuser häufig aus Fachwerk. Wirklich nett - schmuck aber nicht verschnarcht.

Camping

Wir haben uns fürs Zelten entschieden bis auf eine Nacht in einem Hotel in Porta Westfalica. An der Weser sind genügend Plätze (zumindest im oberen Teil), und wir können flexibel von Tag zu Tag entscheiden, wo wir übernachten. Die Plätze waren alle OK. Wir hatten stets reichlich Platz. Da wir mit Anhänger unterwegs waren, konnten wir uns ein bisschen Luxus leisten: Kocher, Schüssel und Geschirr sowie Campingdecke und andere Kleinigkeiten.

Auf dem leicht ranzigen, aber dank See romantischen Campingplatz in Eitzendorf nähe Magelsen herrschte Karnickelplage! Laut Campingplatzbesitzer ist der Kampf aussichtslos.

Porta Westfalica

Irgendwie hatten wir dann doch tatsächlich rund um Porta Westfalica keinen Zeltplatz gefunden, so dass wir im Hotel unterkamen. Beine ausstrecken, Pizza aufs Zimmer bestellen. Am nächsten Morgen sitzen wir zwischen zwei Gruppen in Overalls - links ein Trupp Helikopter-Ingenieure der Bundeswehr in grün, rechts Handwerker in rot.

Mittelweser - norddeutsche Tiefebene

Unmittelbar hinter Porta Westfalia ist Schluss mit dem Weserbergland; die norddeutsche Tiefebene beginnt. Hinter Minden liegt das Wasserstraßenkreutz mitsamt Schleuse, und die Weser verliert ihren urtümlichen Charakter. Zunehmend eingedeicht fließt sie Richtung Bremen.

Die Fachwerkhäuser verschwinden, statt dessen kommen nun große Bauerhöfe aus Backstein. Alles gepflegt; von Resignation (wie in einigen Landstrichen der neuen Länder) keine Spur.

Mancherorts sieht man ganze Scheunenviertel - abseits der Gehöfte wurden die erwirtschafteten Güter an hochwassersicheren Stellen gelagert.

Zeitmangel …

Leider leider haben wir uns in der Planung zu wenig Zeit für die Strecke zugestanden, so daß unsere Etappen im Schnitt 100km lang waren. Das ist ordentlich, wenn man zudem einen Anhänger zieht und morgens und abends zusätzlich Zeit für Zeltauf- und abbau und Essenszubereitung einplanen muss. So haben wir wenig Gelegenheiten für Besichtigungen gehabt und sind durch die Städte meistens durchgefahren.

So auch hier in Hameln, wo wir zumindest einen Kaffe tranken, auf das Rattenfängerspiel des Rathauses aber nicht warten wollten.

… und wunder Hintern

Den langen Radetappen folgte dann tatsächlich - erstmalig für mich - ein wundgefahrener Hintern. Mit Bepanthen behandelt hab ich einfach auf die gepolsterte Innenhose verzichtet - und siehe da: es wurde besser.

Atomkraft

An zwei AKWs fährt man vorbei: Grohne (noch in Betrieb) und Unterweser - als eines der ersten AKW im Zuge der Energiewende abgeschaltet. Und man denkt sich, wie großartig es doch ist, nur mit Muskelkraft die Strecken bewältigen zu können.

Unterweser

Durch Bremen fahren wir direkt durch und übernachten in Berne. Hier ist die Weser schon ordentlich breit und bietet dank Sandstrand echtes Beachfeeling, im Hintergrund konstratiert von bunter Industrie.

A propos Industrie: ein Bild, dass wir häufig gesehen haben: Bagger und Fördereinrichtungen an Seitenarmen oder anliegenden Gewässern der Weser:

Ein Fotostopp wert war auch diese altertümlich anmutende Einrichtung: hier wird Grillkohle hergestellt.

Bremerhaven

Vor Bremerhaven radeln wir stundenlang durch Regen; die Abkühlung tut nach der Hitze der vergangenen Tage gut.

Bremerhaven ist dann doch überraschend. Alleine schon das Queren der Weser kurz zuvor ist beeindruckend, so breit ist der Fluss hier.

Das Radeln entlang der Mündung mit moderner Architektur hat mich entfernt an Kopenhagen erinnert.

Kurz nachdem man diese schöne Stelle hinter sich lässt, warten die unzähligen Häfen auf die Durchquerung.

Kaum hat man den letzten Hafen hinter sich gelassen, kommt das Nordseefeeling. 8 Meter hohe Deiche, darauf Schafe, dahinter das Watt.

Unsere letzte Station ist ein Campingplatz auf der Seeseite des Deiches. Klo, Dusche und Bürohäuschen sind Container, die bei üblen Wetter wegtransportiert werden können. Der Wind bläst ordentlich, und wie bauen das Zelt sturmsicher auf: längs zum Wind, Öffnung auf Lee.

Ein kleiner Hafen beherbergt Schifferboote, die bei Ebbe im Schlamm sitzen.

Wir gehen Essen in einem Fischrestaurant. Tatsächlich das erste und einzige Mal auf unserer Reise. Es schmeckt.

Rückreise

Am letzten Tag müssen wir noch 40 km nach Cuxhaven radeln; dort bringt uns ein Regio nach Hamburg. Ausgerechnet an diesem Tag fuhr der Zug nicht bis HH Hauptbahnhof, sondern nur bis HH Harburg. ALso noch mal 15 km durch Hamburg radeln; über Brücken und fragwürdige Radwege, durch den Elbetunnel. Rückfahrt von Hamburg nach Berlin dann problemlos im IC mit (ebenfalls reservierungspflichtigen) Fahrradstellplätzen.

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