Die diesjährige Radreise von Boris und mir sollte uns über den Ostseeküstenradweg führen: von Lübeck bis Usedom. Ich hatte Tagesetappen von 100 km geplant, um die rund 600 km in 6 Tagen zu leisten. Was für eine Fehlplanung! Aus 6 Tagen wurden 5, aus 600km wurden 300km.

Anreise: von Berlin nach Lübeck mit Flixbus

Flixbus für die Anreise war erste Wahl, da man nicht wie bei der Bahn umsteigen muss. Außerdem konkurrenzlos preiswert. Leider war dafür der Bus ranzig und das Radträgersystem defekt, so dass wir mein Rad unten in den Gepackbereich schieben mussten. Egal, nach 4 Stunden war die Fahrt überstanden und wir standen in Lübeck und montierten den Anhänger an und das Gepäck auf die Räder.

Der Großteil des Campingkrempels transportierten wir dabei im Anhänger Bob Yak, den wir an beide Räder hängen konnten, so dass jeder mal was davon hat :-)

Von Lübeck nach Beckerwitz

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Der Flixbus hat uns in der Nähe des Bahnhofs ausgespuckt; ich hatte den Weg der bikeline Karte in komoot eingespielt, so dass wir uns in Lübeck ganz gut zurechtfanden. (Eine Anmerung zum bikeline Track - dieser entspricht nicht dem Weg der Karte. Bis auf die Navigation in den Ortschaften braucht man GPX / komoot nicht wirklich - außer zum tracken. Der Weg ist sehr gut ausgeschildert, so dass man sich mit Karte und Schildern bestens zurechtfindet. Außerdem hat man einen besseren Überblick als wenn man nur dem Navi folgt).

Der Weg durch Lübeck ist langweilig; die schönen Seiten der Stadt haben wir nicht zu Gesicht bekommen. Nach Lübeck gehts dann durch Wälder und Felder bis Travewünde, wo man mit der Fähre über die Trave übersetzt.

Dann endlich Ostsee! Zeit für ein Fischbrötchen! Da wir schnell feststellten, dass aus 100 km pro Tag nichts wird, steuerten wir Beckerwitz an - der Campingplatz dort liegt etwas einsam; wir erhofften uns einen kleinen lauschigen familiären Platz, und genau das bekamen wir. Zudem ist die Zeltwiese windgeschützt.

Erst mal Kaffe und Kuchen an der Rezeption verschlungen “Ich geb Ihnen zwei Stück zum Preis von einem”, dann Nudeln kochen, und ab zum Strand.

Der Strand selbst ist steinig und sah nicht so einladend aus; dafür kam dann abends die Sonne durch und bescherte uns einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Von Beckerwitz nach Timmendorfer Strand (Insel Poel)

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Die erste Nacht im Zelt ist immer hart - im besten Sinne des Wortes. Frühstück mit Eiern und Brötchen; dann Zelt abbauen und weiter.

Durch Wismar durch - auch hier sieht man nicht viel von der Innenstadt - am Hafen Fischbrötchen-Verpflegung eingekauft. Boris wollte Insel Poel auslassen, damit wir besser vorankommen; ich wollte aber meine jahrzehntealten Erinnerungen auffrischen und plädierte für einen Stopp auf der Insel. Was ich nicht bedachte - wir tauschten den komfortablen Rückenwind gegen einen bösen Gegenwind ein, der uns auf dem Damm ungehindert entgegenblies. Als wir dann die lächerlichen 5 Kilometer hinter uns hatten und in Kirchdorf auf der Insel saßen und den Proviant verschlungen, war ich so fertig, dass ich im Sitzen auf der Bank einschlief.

Heute kommen wir nicht viel weiter; also Campen auf Insel Poel. Auf zum Timmendorfer Strand an der Westseite. Sind aber nicht nur ein paar Kilometer Gegenwind, sondern auch ein paar Hundert Meter Sand. Ein Fahrrad mit Gepäck und Anhänger rollt nicht durch Sand, es pflügt ihn. Nach diesen Qualen dann aber ein phantastischer Strand, ein wunderschöner kleiner Hafen, eine imposante Küste. Was für ein schöner Ort! Nach einem kurzen Bad in der Ostsee genehmigen wir uns Pizza beim Italiener Portofino. Lecker und sehr nette Bedienung.

Von Timmendorfer Strand nach Börgerende

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Nach Frühstück und Zeltabbau (wir schaffen es nie vor 10 Uhr loszukommen) gehts dann wieder runter von der Insel und die Küstenlinie lang. Nun die die Seebäder dran: Rerik (beschaulich), Kühlungsborn (groß, trubelig) und Heiligendamm. In Heiligendamm war ich von 20 Jahren Gast bei eine Hochzeit. Die Jagdfeld Gruppe hatte als Investor nahezu die ganze Uferlinie des Ortes gekauft und wollte exklusive Luxusdomizile bauen - wo sich wohlhabende unter sich erholen können. Daraus ist nichts geworden. Heute siehts irgendwie immer noch so aus wie damals. Eine traurige Geschichte.

Wir radeln weiter; der Weg verläuft an der Küste und ist stark frequentiert mit Ausflüglern die zu Fuß oder per Rad unterwegs sind. Überall gibt es Stichwege zum Meer. Unser Campingplatz liegt in Börgerende. Ein prima Platz, super gepflegt, toller Service. Leider wird der Küstenbereich hier mit mehrstöckigen Appatmenthäusern zugedonnert; eine Infrastruktur, ein nettes Cafe sucht man vergebens.

Abends machen wir uns Paprikareis, Salat und gebratenen Lachs. Lecker, was man so aus einem Campingkocher zaubern kann!

Und als Nachtisch ein traumhafter Sonnenuntergang.

Von Börgerende nach Prerow (Darß)

»»Tourverlauf (GPX) auf Komoot anschauen Die Nacht war frisch; unser Zelt stand neben einem kleinen Teich, deren Frösche mit den Schnarchern um die Wette röchelten.

Aufstehen, Duschen, packen und los.

Nun gehts durch einen tollen Wald - den Gespensterwald. Bis zur Steilküste stehen hier die Buchen, die durch den Wind schief und krumm wachsen und so dem Wald seinen Namen geben.

Der Wind hat nun gedreht; er kommt nicht mehr von hinten, sondern schön direkt von vorn. Dafür ist wenigstens das Gelände eben. (Den Bob Yak Anhänger merkt man auf ebener Strecke nur beim Anfahren. Im hügeligen Gelände aber flucht man bis man heiser ist.)

Nördlich von Rostock im lebendigen Seebad Warnemünde queren wir mir einer Fähre die Warne und sparen uns so die Durchfahrt durch Rostock. Nach Warnemünde kommen wir zum Ferienort Graal-Müritz. Zeit für - Fischbrötchen! Irgendwie schmecken die immer besser! Kurz danach gehts dann schon auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst.

Auf dem Darß machen wir einen Schlenker durch das Örtchen Born. Was für ein hübscher Ort! Ein Haus, ein Garten schöner als der andere. Zum Bodden hin dann ein kleiner Hafen. Ein letzter Schlenker, dann kommen wir zum Etappenziel Prerow. Unser Campingplatz liegt etwas außerhalb; ein “Naturcampingplatz”. “Düne oder Wald” fragt uns die Rezeption. Düne, beschließen wir, wählen aber einen Platz nahe eines Weges.

Hier bläst der Wind ordentlich. Ich hab zum Glück Sandheringe für das Zelt besorgt, bin aber skeptisch dass das Zelt dem Sturm stand hält. Zum Glück hab ich ja Optimismus-Boris dabei, den Optimisten für alle schwierigen Lebenslagen. Mit “Wird schon”, “Passiert nix”, “Regnet nicht” kommentiert er üblicherweise alle Naturgesetze, die uns im Weg stehen - und hat meistens Recht. So auch diesmal. Zelt hält, das angekündigte Unwetter besteht nur aus einem nächtlichen Regen, der am Morgen von der steifen Brise weggetrocknet ist.

Zelten in den Dünen ist klasse! Wind und Sand überall, Zeltplanen knattern im Wind; Möwen schreien über den Köpfen, hinten rauscht das Meer.

Im Vorzelt werden Spaghetti gekocht; ein langer Abendspaziergang am Meer, dann ab in den Schlafsack.

Von Prerow nach Stralsund

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Die letzte Etappe. Das Wetter ist schwül und windig; die Sonne kommt nicht hervor. Wieder wird es 10 Uhr bis wir alles verstaut haben.

Vom Darß runter queren wir das Örtchen Barth und machen Halt beim Bäcker, wo wir uns mit Kuchen und Kaffe stärken. Seit 5 Tagen sind wir nur unter freiem Himmel, da ists komisch plötzlich in einem Gebäude zu sein. Kaffee und Kuchen schmeckt; wir unterschreiben noch flink die Petition, dass die Bahninie Stralsund - Barth erhalten bleiben soll, und steigen wieder aufs Rad.

Liegts am Gegenwind oder am grauen Wetter? Oder ist die Landschaft hier wirklich etwas langweilig? Es geht ungeschützt über Felder, meistens in Meernähe. Orte sind selten und haben komische Namen wie Kinnbackenhagen (“Wenn Du nich artich bist, krichste nen Kinnbackenhagen”). Irgendwo im Nirgendwo pausieren wir und machen uns über die letzten Vorräte her. Es wird kalt. Den Plan, die Tour wie geplant fortzusetzen, streichen wir. Selbst Optimimismus-Boris schaut skeptisch auf die Wetter-Apps. In Berlin laufen derweil im Jahrhundert-Unwetter die U-Bahnen voll.

Wir erreichen Stralsund gegen 15:00 Uhr und holen uns am Hafen die letzten Fischbrötchen bei “Fish & Ships”.

Rückreise von Stralsund nach Berlin (Regionalbahn)

Um 16:19 gehts los, um 20:30 dann in Berlin; und hier werden wir in 5 Minuten so naß wie auf der ganzen Fahrt zusammengerechnet nicht.

Familie und Milli begrüßen, Duschen und den letzten Sand von Prerow aus den Ohren pulen.

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