Die Geschichte der SLR und Empfehlungen für das heutige analoge Vergnügen

Wenn ich mit einer analogen Spiegelreflexkamera losziehe, verschafft mir das ein großes Vergnügen. Es entschleunigt, die Ergebnisse nicht sofort zu Gesicht zu bekommen, und es ist ein sinnliches Erlebnis, diese Apparate in die Hand zu nehmen, die Finger über die Belederung wandern zu lassen, die Hebel und Drehräder zu ergründen, bis sie beim Auslösen ihre Bestimmung finden.

Das Wesen einer Spiegelreflexkamera

Das Besondere an den Spiegelreflexsystemen ist der Sucher. Durch einen klappbaren Spiegel und das über dem Sucher sitzende charakteristische Dachkantprisma wird das durch das Objektiv fallende Licht zum Sucher umgelenkt und erscheint dort aufrecht und seitenrichtig. Das Licht fällt dabei auf ein mattiertes Glas – die Mattscheibe – und kann dort scharfgestellt werden. Der Sucher verwandelt sich so zu einer Bühne einer Welt. Mit dem Drehen des Fokusrings am Objektiv erscheinen im Nebel der Unschärfe die Darsteller, bis die Schärfe in einem funkelnden Punkt kulminiert.

Beim Auslösen werden in Sekundenbruchteilen der Spiegel hochgeklappt, das Objektiv auf die ausgewählte Blende geschlossen und der vor dem Film liegende Verschluss geöffnet – der Film wird belichtet –, und der Verschluss wieder geschlossen. Bei den ersten Kleinbild-Spiegelreflexsystemen (und auch bei den Mittelformat-Spiegelreflexsystemen wie Hasselblad oder Pentacon) ist der Sucher dann dunkel, denn der Spiegel und die Blende werden erst beim Filmaufzug wieder in Position gebracht. Bei moderneren Systemen (und um die geht es hier) läuft das automatisch ab.

Die charakteristischen Geräusche des Spiegelschlags gehören mit zum Erlebnis der Spiegelreflexfotografie, wenngleich die Hersteller im Laufe der Zeit sich immer mehr Mühe gegeben haben, diesen zu dämpfen.

Der richtige Jahrgang

Wenn man dieses Erlebnis sucht und sich eine analoge Spiegelreflex zulegen will, gelangt man früher oder später zur Frage, aus welcher Ära, aus welchem Jahrzehnt die Kamera stammen sollte – denn die Auswahl ist groß, und nicht jede Kamera eignet sich gleich gut für den Einstieg.

Bei zu alten Geräten können sich die Gebrechlichkeiten des Alters zeigen und Vergnügen in Frust wandeln – federbetriebene mechanische Verschlüsse verlieren ihre Genauigkeit, Lichtdichtungen werden porös, Linsen trüb, Blenden ölig, Springblenden klemmen. Die Liste der Probleme ist lang, und jedes Modell neigt zu seinen eigenen Krankheiten.

Allzu jung sollten die Modelle aber auch nicht sein, denn ab den späten 80ern setzte die Automatisierung in der Kameratechnik im großen Stil ein:

Autofokussysteme übernehmen die Scharfstellung, lichtschwache Zoomobjektive, als Kit mit den Kameras verkauft, fehlt es an Charakter und Bokeh, Motoren spulen automatisch den Film weiter.

Diese automatischen, motorisierten Kameras versprechen zwar eine unkomplizierte Bedienung, aber der Preis für die Bequemlichkeit ist, dass die manuellen Abläufe, die die Freude bei der Bedienung und die Faszination für die Mechanik ausmachen, verloren gehen.

Das späte Topmodell F6 von Nikon kann einen Film in 6 Sekunden durchjagen. Wozu brauche ich das, heute, als Analog-Connaisseur?

Die wunderbaren 70er

All diese Überlegungen führen fast zwangsläufig zu der Epoche, die einen idealen Kompromiss aus zuverlässiger Technik und klassischem Bediengefühl darstellt: Mitte der 70er bis Ende der 80er war das goldene Zeitalter der Spiegelreflexsysteme.

Liebhaber für die manuellen Geräte gab es auch später noch zu Zeiten der Vollautomatisierung, und so behielten die Hersteller einige ihrer manuellen, mechanischen Modelle weiter in Produktion oder brachten sie gar neu heraus – die Leica R6 und die Nikon FM3A seien hier als Beispiele genannt.

Auswahlkriterien

Um aus dem großen Angebot die passende Kamera zu wählen, helfen die folgenden vier Eigenschaften. Die ersten beiden sollten Pflicht sein, die letzten dagegen sind Kür:

Pflicht:

  1. Der erste Punkt ist der manuelle Fokus in Verbindung mit einem lichtstarken Objektiv. Ein 50 mm mit f/1,8 oder f/1,4 – oder eine ähnliche Festbrennweite – reicht aus, um Motive freizustellen und mit geringer Schärfentiefe zu arbeiten. Das Scharfstellen über die Mattscheibe gehört zum grundsätzlichen Bediengefühl einer analogen SLR.

  2. Wichtig ist auch die Energieversorgung. Viele ältere Kameras nutzen Quecksilberzellen mit 1,35 V. Manche Belichtungsmesser sind exakt auf diese Spannung ausgelegt und messen mit heutigen 1,5-V-Batterien falsch. Wein-Cell-Ersatzbatterien funktionieren grundsätzlich, entladen sich jedoch selbstständig, sobald sie Luftkontakt haben. Adapterlösungen gibt es, sind aber nicht immer zuverlässig. In der Praxis ist es am einfachsten, Kameras zu wählen, die ohne Quecksilberbatterien auskommen und moderne Silberoxid- oder Alkali-Zellen problemlos akzeptieren.

Kür:

  1. Eine automatische Belichtungsmessung kann für Einsteiger hilfreich sein, idealerweise als Zeitautomat: Die Blende wird vorgewählt, die Kamera sucht die passende Verschlusszeit. Bei Nachführsystemen muss man manuell durch Wahl von Blende und Zeit einen Zeiger mit dem Wert des Belichtungsmessers in Deckung bringen. Das geht mit etwas Übung auch schnell und hat den Vorteil, dass man bei schwierigen Lichtsituationen einfacher eingreifen kann.

  2. Damit lichtstarke Objektive auch bei Tageslicht offenblendig genutzt werden können, hilft eine Kamera mit kurzen Verschlusszeiten: Mindestens 1/2000 s, besser 1/4000 s. So vermeidet man bei hellem Wetter das Abblenden oder den Einsatz von Graufiltern.

Markenbewusstsein – oder warum Hersteller trotzdem zählen

Bevor wir zu den Empfehlungen kommen, lohnt ein Blick auf die Hersteller. Streng genommen unterscheiden sich die puristischen, manuell zu bedienenden SLRs der 70er und 80er Jahre aus heutiger Sicht kaum. Doch jede Marke bringt eine eigene Geschichte, eigene Stärken und einen eigenen Mythos mit – und das spürt man, wenn man eine Kamera in der Hand hält.

Leica entwickelte seinen legendären Ruf im Messsucher-Bereich; die SLR-Modelle waren ein Versuch, das schwächelnde Messsucher-Geschäft mit einem eigenen Spiegelreflexsystem zu stützen. Die frühen Leicaflex-Modelle entstanden noch ohne Partner, später folgte die Kooperation mit Minolta. Reine Eigenentwicklungen wie die R6 oder die radikal neu gezeichnete R8 und R9 sind bis heute Kultobjekte.

Contax, die Zeiss-Marke, stieg spät in den SLR-Markt ein und tat dies gemeinsam mit Yashica. Das Ergebnis waren die ikonischen RTS-Kameras – gestaltet von Ferdinand Porsche, ausgestattet mit Zeiss-Objektiven, gebaut wie Werkzeuge für die Ewigkeit.

Nikon ist der Inbegriff der professionellen Spiegelreflex: robust, zuverlässig, optisch stark. Das F-Bajonett ist das langlebigste Anschluss-System der Welt, und die Auswahl an Objektiven mit den charakteristischen „Hasenohren“ ist riesig. Nikon ist bis heute einer der wenigen reinen Kamera- und Optikhersteller; viele andere Marken wurden in größere Elektronikkonzerne integriert.

Canon machte in den 70er und 80er Jahren große Sprünge: Die F-1 wurde zur professionellen Systemkamera, die AE-1 zum Massenphänomen, viele Fotografen sind mit einer AT-1 oder AE-1 groß geworden. Canon ist heute Weltmarktführer im Kamerabereich.

Minolta war ein innovativer Hersteller mit starker Ingenieurskultur; die SRT-Modelle sind legendär zuverlässig. Mit dem Übergang zu Sony verschwand die Marke Minolta aus dem Kameramarkt – ihre Technik lebt jedoch in modernen Sony-Kameras weiter.

Pentax und Olympus bauten besonders kompakte SLRs mit jeweils eigenen Systemstärken. Die Pentax MX ist eine mechanische Miniatur mit Kultstatus, und die Olympus-OM-Serie besticht durch Größe, Haptik, innovative Belichtungssteuerung und das einzigartige Zeitenrad am Objektivanschluss.

Konica und Ricoh waren kleinere Hersteller, die hervorragende Optiken und robuste Kameras bauten. Ricoh existiert bis heute – die GR-Serie ist ein direkter Nachfahre dieser Tradition.

Praktica, die Marke des VEB Pentacon aus der DDR, war überaus erfolgreich – rund neun Millionen Kameras wurden produziert. In den ersten Jahren waren die Modelle auf Weltniveau, später verpasste man jedoch den Anschluss an die Automatisierung. Freunde solider mechanischer Kameras finden hier dennoch eine große Auswahl; die MTL-50 ist ein besonders beliebtes Modell.

Auf dem Gebrauchtmarkt stößt man natürlich auch auf weitere Marken, die heute eher für Sammler interessant sind: Rollei und Voigtländer etwa, zwei deutsche Hersteller, die in den 70er Jahren der japanischen Dominanz kaum noch etwas entgegensetzen konnten. Topcon gilt als wichtiger Innovator der frühen SLR-Technik, verschwand aber weitgehend vom Markt. Vivitar (nur ein Label), Cosina (OEM-Hersteller) und Chinon (ohne klaren Markenkern) spielen für Fotografen wie für Sammler kaum eine Rolle.

Tolle schnelle Spiegelreflexkameras

Für alle, die ihre Objektive bei Sonne weit geöffnet lassen wollen, beginnt hier die Liste der wahren Hochleistungs-SLRs: Kameras, die 1/2000 s oder kürzer belichten können und moderne Batterien nutzen. Auffällig ist, dass diese Kameras teilweise über einen langen Zeitraum gebaut wurden (die Nikon FM3A wurde erst 2001 auf den Markt gebracht – als Reminiszenz an das goldene Zeitalter der mechanisch/manuellen Fotografie).

Leica ist gleich dreimal vertreten – das R-System hatte keinen Autofokus, also kommen entsprechend viele Modelle in die Liste.

Hersteller Modell Baujahre max. Zeit Gebrauchtpreis(*)
Leica R5 1987–92 1/2000 250–450 €
Leica R6.2 1992-97 1/2000 600–900 €
Leica R7 1992–97 1/2000 350–700 €
Leica R8 1996–2002 1/8000 550–800 €
Contax RTS 1975–82 1/2000 120–300 €
Contax RTS II 1982–1990 1/2000 200–350 €
Contax 159 MM 1985–88 1/4000 150–300 €
Pentax ME Super 1979–84 1/2000 ~100–150 €
Pentax Super A / Super Program ab 1983 1/2000 70–150 €
Pentax LX 1980–2001 1/2000 300–700 €
Olympus OM-4 1983–87 1/2000 200–400 €
Olympus OM-4Ti 1986–2002 1/2000 300–700 €
Nikon F3 1980–2001 1/2000 200–400 €
Nikon FA 1983–87 1/4000 180–350 €
Nikon FE2 1983–87 1/4000 150–300 €
Nikon FM3A 2001–2006 1/4000 600–1.000 €
Canon New F-1 1981–94 1/2000 300–600 €
Yashica FX-3 Super 2000 1986–2002 1/2000 100–150 €

(*) Preise für Modelle in Top Zustand

Von diesen Kameras habe ich viel mit der die Pentax ME super (gebraucht noch günstig zu haben), die Nikon F3 (mit dem HP Sucher für Brillenträger toll, aber etwas klobiger als die anderen Modelle) und FM3A (fan-tas-tisch) und der Leica R7 und R8 ( schwer, aber eine 1/8000 Sekunde!) geabeitet.

Die großartige RTS III fällt hier leider raus, denn sie hat einen motorisierten Aufzug. Schade, denn mit ihrer 1/8000 ist sie absolut offenblend-tauglich.

Mein Favorit ist die Nikon FM3A, ein junger Klassiker. Haptisch ein Traum, alle Zeiten wahlweise vollmechanisch und elektronisch steuerbar.

Die budgetfreundlichen Kameras mit 1/1000

Wenn man auf die ultrakurzen Zeiten verzichten kann und mit einer 1/1000 Sekunde gut zurechtkommt – und das tut man in den meisten Alltagssituationen –, öffnet sich das Feld für eine günstigere Auswahl.

Hersteller Modell Baujahre Verschluss Gebrauchtpreis(*)
Nikon FM 1977–82 mechanisch 150–250 €
Nikon FE 1978–83 elektronisch 120–220 €
Nikon FG 1982–86 elektronisch 80–150 €
Canon AT-1 1977–79 elektronisch 80–150 €
Canon T60 1990–96 elektronisch 60–120 €
Pentax MX 1976–85 mechanisch 200–350 €
Minolta XD-7 / XD-11 1977–84 elektronisch 180–300 €
Minolta X-700 1981–99 elektronisch 120–220 €
Olympus OM-2n 1979–84 elektronisch 150–250 €
Yashica FX-3 Super 1984–2002 mechanisch 80–150 €
Yashica FX-D Quartz 1979–87 elektronisch 70–130 €
Konica FC-1 1979–83 elektronisch 80–150 €
Praktica MTL 50 1984–90 mechanisch 40–80 €
Ricoh KR-5 Super II 1993–2002 mechanisch 60–110 €

(*) Preise für Modelle in Top Zustand

Ich kenne die Nikon FM (mechanische Zeiten) und die Canon AT-1 (elektronsich gesteuerte Zeiten) sehr gut, beides tolle Kameras. Die Praktica bringt eine eigene Bedienlogik mit (die DDR Kameras sind ein Kapitel für sich). Die Konica FC-1 hätte ich gerne, ich hab das Nachfolgemodell Autoreflex mit Batterieproblematik, aber die Objektive sind toll, vor allem das komakte 1.7 40mm Pancake!

Die Minolta XD-7 gilt als Klassiker, ebenso wie die Olympus und die Pentax MX. Mit der Yashica hab ich noch keine Erfahrungen gemacht, die Yashica FX-3 super wurde aber lange produziert, das später “Yashica FX-3 super 2000” Modell schafft auch eine 1/2000.

Vollmechanische Klassiker für Liebhaber

Für Sammler und Puristen existiert eine eigene Klasse von Kameras – Modelle, die eine Ära geprägt haben und trotz ihres Alters noch immer faszinieren. Zum Beispiel:

  • die Nikon F – die erste Nikon mit dem F-Bajonett, ein beliebter Klassiker, rund 20 Jahre produziert.
  • die Pentax Spotmatic F, eine der ersten weit verbreiteten SLRs mit TTL-Belichtungsmessung.
Hersteller Modell Baujahre max. Zeit Verschluss Gebrauchtpreis(*)
Nikon F 1959–80 1/1000 mechanisch 200–400 €
Pentax Spotmatic F 1973–76 1/1000 mechanisch 70–140 €
Canon F-1 1971–81 1/2000 mechanisch 250–450 €
Leica R6 1988–92 1/1000 mechanisch 450-700 €
Olympus OM-3 1983–86 1/2000 mechanisch 600–1.200 €

(*) Preise für Modelle in Top Zustand

Objektivsets: Was kostet ein gutes Setup?

Für das analoge Vergnügen ist ein lichtstarkes Normalobjektiv eine gute Wahl: 50 mm mit Lichtstärke 1,8, 1,4 oder 1,2. Ein 1,8 ist in den meisten Fällen ausreichend; höhere Lichtstärke bedeutet mehr kreative Unschärfe. Den Schärfepunkt bei lichtstarken Objektiven präzise zu treffen (vor allem im Nahbereich, bei Porträts etwa auf den Augen), gelingt jedoch nicht immer.

Als Ergänzung findet man ein 28-mm-Weitwinkel (1:3,5) und ein 135-mm-Tele (1:2,8), häufig im Set mit der Kamera. Diese Kombinationen tauchen gebraucht oft als Paket auf.

Schöner – wegen des Bokehs – ist eine höhere Lichtstärke auch bei den Ergänzungen. Eine hervorragende Wahl ist ein 35 mm 1:2,0: Es erlaubt Porträts unter Einbeziehung der Umgebung, die durch sanfte Unschärfe nicht vom Motiv ablenkt. Ein lichtstarkes Porträtobjektiv im Bereich 85–100 mm mit f/2,0 ist ebenfalls großartig. Solche Objektive haben auch gebraucht ihren Preis; zwischen 200 und 300 Euro muss man einplanen.

Auf ins analoge Abenteuer!

Mit den Empfehlungen hast du eine gute Übersicht über die wichtigsten SLR-Klassiker. Doch wo bekommt man die Geräte am besten? Wenn man mit analoger Technik noch nicht vertraut ist, ist es schwer, mögliche Probleme bei einem Kurzcheck zu erkennen. Mehr Sicherheit bieten hier Fachhändler. In Berlin habe ich gute Erfahrungen mit den Gebrauchtangeboten von Calumet und Foto Meyer gemacht. Auch click & collect führt viele analoge Schätze, wirkt preislich aber oft etwas ambitioniert.

Ebay Kleinanzeigen nutze ich inzwischen seltener: Zwar habe ich dort schon echte Perlen gefunden, aber ebenso oft bin ich zu Verkäufern gefahren, nur um dann muffigen Schrott in die Hand gedrückt zu bekommen. Dann zahle ich lieber etwas mehr – und bekomme Gewährleistung und ein geprüftes Gerät. In diesem Sinne: Viel Freude beim Eintauchen in die analoge Welt! Und wenn du findest, dass in meinen Listen eine Kamera fehlt, schreib mir gern. Meine Kontaktdaten stehen im Impressum.

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