Alte Bergmannsstädte, schroffe Felsen, wilde Bergbäche.

Leider wird es auch dieses Jahr nichts mit einem “richtigen” Urlaub, wir haben nur etwas weniger als eine Woche Zeit.

Anstelle Karlsbad & Co bleiben wir also diesseits der Landesgrenze, suchen und finden kurzfristig eine Unterkunft im Erzgebirge, in Breitenbrunn.

Die Arbeit lässt mir keine Zeit für die Vorbereitung; der Koffer wird am Tag der Abfahrt gepackt und los gehts.

Wie kommt man hier nach Breitenbrunn?

Breitenbrunn liegt in der Nähe vom Fichtelberg bei Oberwiesenthal, südlich von Dresden an der Grenze zu Tchechien. Das Navi plant vier Stunden Autofahrt, es werden knapp 5. Denn ein ums andere Mal sind die Straßen, in die wir fahren wollen, plötzlich Sackgassen. So eiern wir durch das Gebirge, fahren schließlich über gesperrte Baustellen und kommen endlich an.

Bimm Bimm Bimm

Unsere Unterkunft ist eine Blockhütte an Bach und Bahn, an der Flanke des Rabenberges. Das Haus ist urig, für uns zwei allemal groß genug, aber duster wie die Nacht. Die Verkehrsgeräusche der Landstraße im Tal sind ungewohnt für uns, wie auch das Gebimmel der Bahnschranke, die sich unweit von uns mehrmals die Stunde senkt.

Unsere Unterkunft in Breitenbrunn
Unsere Unterkunft in Breitenbrunn

Wandern am Rabenberg

Unser erster Spaziergang führt uns durch die Wälder des Rabenbergs. Es nieselt, es regnet, und bald schmatzen die nassen Socken bei jedem Schritt.

Was in Komoot als Weg eingezeichnet ist, hat sich die Natur zurückgeholt. Gräser und junge Bäume stehen hüfthoch, und die nassen Blätter klatschen uns wie eine Autowaschanlage durch.

in den nassen Wäldern des Rabenbergs
in den nassen Wäldern des Rabenbergs

Der Nachmittag ist zumindest trocken, also gehen wir später noch eine Runde über die Felder von Breitenbrunn, in Sandalen - meine Schuhe müssen erst mal austrocknen, und Moni hat sich dicke Blasen gelaufen, die in keinen Schuh hinein wollen.

Insektenfülle im Erzgebirge
Insektenfülle im Erzgebirge

Talsperre Sosa

Schöner soll es heute werden, wenn schon nicht sonnig, so doch leidlich trocken. Eine kleine Runde muss herhalten, Monis Blase ist ein dicker Eumel geworden. Unweit von Breitenbrunn liegt die Talsperre Sosa, um die ein Rundwanderweg von 5 Kilometer Länge führt.

Leider entpuppt sich die kurze Anfahrt bis Sosa als schwieriges Unterfangen; auch hier landen wir ein ums andere Mal vor gesperrten Straßen. Ein Passant, den ich um Hilfe bitte, kann mir auch nicht helfen: “Auch die Einheimischen wissen nicht, was alles gesperrt ist”. Grund dafür ist eine großräumige Verlegung von Glasfaser.

Glasfaserkabel - Ursache der Sperrungen im Erzgebirge
Glasfaserkabel - Ursache der Sperrungen im Erzgebirge

Schließlich gllangen wir doch nach Sosa, der Parkscheinautomat schluckt unser Hartgeld und wir machen uns auf den Weg.

Der Rundweg ist wochentags ebenfalls gesperrt - Grund ist hier die Sanierung der Staumauer. Es ist Samstag, wir haben Glück. An der Staumauer prangt eine große blitzblank geputzte Tafel mit Lobpreisungen auf die sozialistischen Brigaden, die dieses Bauwerk geschaffen haben. Der Rundweg selbst ist nicht sonderlich erwähnenswert, führt er doch die ganze Zeit durch den Wald ohne Aussicht und Abwechslung. Kurz vor Vollendung unserer Rundtour gelangen wir noch an eine alte Köhlerhütte, die als Museum hergerichtet ist und uns für sparsame 1,20 € Apfelschorle anbietet. “Hillbilly” steht auf dem Schild am Eingang, und zur Untermalung dieses Begriffs rülpst uns eine Gruppe junger Männer ihre Begrüßung entgegen.

Wasserläufe an der Taslsperre Sosa
Wasserläufe an der Taslsperre Sosa

Steinfroch auf dem Rundweg Sosa
Steinfroch auf dem Rundweg Sosa

Staumauer Sosa
Staumauer Sosa

Gedenktafel Volksbau Sosa
Gedenktafel Volksbau Sosa

Johanngeorgenstadt

Auf dem Rückweg von Sosa fahren wir über Johanngeorgenstadt; dort wollen wir im “Cafe im Herrenhaus” uns an den Torten vergnügen. (Ein Cafe mit passabler Kuchenauswahl zu finden, welches am Montag aufhat, war übrigens eine respektable Leistung unsererseits) Im Tal gelegen finden wir das Cafe inmitten riesiger Parkplätze. Ein paar Meter weiter beginnt Tchechien, und auf dem Techechenmarkt mit den Asialäden wimmelt es von Einaufstouristen.

Die Torten im Herrenhaus waren nicht nach unserem Geschmack, und auf das Gewimmel hatten wir eh keinen Bock, also fahren wir bald weiter, hinauf ins eigentliche Johanngeorgenstadt. Ein Zentrum sucht man vergeblich; Teile der Altstadt sind als Baustelle nicht passierbar, und überhaupt wurde die Stadt durch den Bergbau so durchlöchert, dass ganze Teile abgerissen werden mussten. Hier erinnert nichts and die “Wismut”, die wilden jahre des Uranbergbaus, wo Tausende Arbeiter das Erz beförderten. Barackensiedlungen wurden eiligst hochgezogen, und wer ein Wohnzimmer übrig hatte, musste es den Kumpels zum Nächtigen anbieten. Auch der stalinistische Protzbau in Erlabrunn, den wir noch kennenlernen werden, stammt aus dieser Zeit - hier mussten die zahlreichen Knochenbrüche der Kumpels versorgt werden. Orthopädie ist auch heute noch ein Klinikschwerpunkt.

Ein großer Schwibbbogen steht oben in der Stadt etwas verloren, und eine riesige Weihnachtspyramide, zur blauen Stunde im Winter sicherlich sehenswert. Ein paar Meter weiter finden wir dann den Pferdegöpel, eine von Pferden betriebene Winde, mit der die untertage abgebauten Erze durch Schächte hinaufgezogen wurden. Auf dem Weg zum Göpel steht eine Gruppe mannshoher Schnitzfiguren, die “Exulanten”, böhmische Religionsflüchtlinge, die die Gründungsgeschichte von Johanngeorgenstadt verkörpern. Wir laufen noch ein Stück durch den angrenzenden Wald, dann gehts zurück.

Der Pferdegöpel in Johanngeorgenstadt
Der Pferdegöpel in Johanngeorgenstadt

Der Zug der Exulanten in Johanngeorgenstadt
Der Zug der Exulanten in Johanngeorgenstadt

Schwibbögen auf Schritt und Tritt
Schwibbögen auf Schritt und Tritt

Erlabrunn und Teufelssteine im Steinbachtal

Der nächste Tag; Monis Fuß suppt und will heute nicht wandern, also mache ich mich alleine auf. Regen ist angesagt; ich packe Schirm und Verpflegung ein. 12 Kilometer soll es vom benachbarten Erlabrunn durch ein Bachtal gehen, bis nach Johanngeorgenstadt, und wieder zurück.

Ich parke am Krankenhaus Erlabrunn, füttere den Parkautomaten und wandere los. Der erste Wegteil führt mich auf einer Straße zu einer Absprerrung (wen wunderts), an den Baumaschinen vorbei muss ich durch einen Graben klettern. Wäre ich nicht am Wochenende unterwegs, würde mir der Maschinenbetrieb kein Durchkommen gewähren.

Der Weg schlägt sich durch das Steinbachtal; der Fluss plätschert und der Weg bietet immer wieder bezaubernde Einblicke. Sogar die Sonne kommt hervor und zaubert Lichflecke in das Flussbett. Dann ragen durchs Blätterdach hoche Steintürme, ich bin an den Teufelssteinen angelangt. Imposant sehen sie aus, als wären sie Quader für Quader aufeinander gestapelt. Eine junge Frau bewacht die Rücksäcke ihrer Familie, die sich zum Klettern auf die Felsen aufgemacht haben. Unten liegen Blumensträuße und erinnern an diejenigen, denen das Glück beim Emporklimmen versagt blieb.

Mit der Wanderung entschuldigt sich das Erzgebirge für die Erlebnisse der vergangenen Tage, die mich hatten zweifeln lassen, ob es wohl die richtige Entscheidung war hier Urlaub zu machen.

Der Weg führt dann weiter am Bach hinauf, bis ich in der Neustadt von Johanngeorgenstadt komme; ein Gebiet mit Mehrfamilienhäusern, Straßen und sonst nichts. Die Sonne hat sich verzogen, der angekündigte Regen ergießt sich. Zwei weitere Regenhuschen werde ich auf der Tour noch mitnehmen; zum Glück hab ich den Schirm dabei.

Hinter der Neustadt erreiche ich den höchsten Punkt der Tour, dann geht es wieder hinab. Durch eine hübsche Gartenkolonie, in der es von Hühnern aller Art nur so wimmelt, dann bekomme ich einen schönen Blick über die Hügel des Erzgebirges.

Der Rückweg verläuft dann nicht mehr so romantisch; auf Schotterpisten geht es im Regen eintönig geradeaus zurück.

Der Steinbach bei Erlabrunn
Der Steinbach bei Erlabrunn

Die Feufelssteine im Steinbachtal
Die Feufelssteine im Steinbachtal

Blick von Johanngeorgenstadt über die Hügel des Erzgebirges
Blick von Johanngeorgenstadt über die Hügel des Erzgebirges

Auersberg

Nach einem Kaffee und einer kurzen Erholung in unserer Hütte geht es wieder los; auf den Auersberg, immerhin 1018 Meter hoch, allerdings nicht per pedes, sondern bequem mit dem Auto. Oben befindet sich ein schmucker Berggasthof, in dem wir erst einmal Kuchen (lecker!) und Kaffee ordern, dann noch Gulasch und Rauchwurst hintendrein. Die Bedienung ist herzlich und fröhlich; Milli bekommt ein Würstchen geschenkt.

Nebenan steht noch ein Aussichtsturm, vom dem man allerdings nicht sonderlich viel mehr Panorama bekommt wie von dem Rastplatz hinter dem Gasthof. In der Ferne entdecken wir die Talsperre Sosa, daneben Eibenstock.

Wir entschließen uns, Eibenstock noch einen Besuch abzustatten, doch ein erneuter Regenguss hält uns davon ab, auszusteigen.

Blick vom Auersberg nach Sosa
Blick vom Auersberg nach Sosa

Gasthof und Aussichtsturm Auersberg
Gasthof und Aussichtsturm Auersberg

Kuh kopfüber

Meine morgendliche Hunderunde führt entlang der Gleise und einer Kuhwiese in ein Wäldchen. Heute sehe ich an der Wiese eine Kuh liegen, sie muss durch den Elektrozaun gerutscht sein und liegt kopfüber in einem Graben. Beim Näherkommen zuckt und röchelt sie, ein erbärmlicher Anblick. In der Siedlung finde ich einen Nachbarn, der sein Holz im Garten sägt, und frage ihn, ob er dem Bauern Bescheid geben kann. Jo, sagt er, und sägt weiter. Das arme Vieh tut mir leid, und ich weiß nicht, ob sich der Nachbar nun kümmert.

Ich rufe den Vermieter an, der empfiehlt der Polizei Bescheid zu geben; er könne leider nicht vorbeikommen, er sei beim Arzt. Also Polizei gerufen, die dann auch kommt. “Heute ist Tag des Tieres”, sagt der bärtige Polizist, der auch im Prenzlberg Barista sein könne, denn gerade mussten sie eine Ziege aus einem Stacheldrahtzaun befreien. Mittlerweile ist auch der Bauer da, und gemeinsam ziehen sie die Kuh aus dem Graben und versuchen sie aufzurichten. Schwere Euterentzündung habe die Kuh, sie sei schwach und nicht mehr ganz beieinander, vielleicht muss sie auch gleich hier erlöst werden, verkündet der Bauer die trostlose Prognose.

Ich stehe nur im Weg rum, und den Fortgang des Dramas will ich mir ersparen, also kehre ich um.

Schwarzenberg

Heute steht Schwarzenberg auf dem Programm, die “Perle des Erzgebirges”. Ich wittere hier Verrat am Ort Ferchesar in meiner Heimat, das sich “Perle des Havellandes” nennt. Sei es drum, die Kette der ostdeustchen Regionen hat halt viele Perlen.

Mittlerweile kennen wir die Passagen, die uns baustellenfrei mit den Nachbarorten verbinden, und so gelangen wir nach Schwarzenberg. Ein Rundwanderweg wird absolviert, eigentlich 11 Kilometer lang, von mir auf die Hälfte gekürzt. Er führt uns von Schwarzenberg über die benachbarten Hügel und wieder zurück, und über eine schmale Gasse erreichen wir das Cafe “Kaffeeträume”. Innendrin eine freundliche Bedienung, Kuchen und Kaffe sind lecker, und auch hier bekommt Milli eine Wurst. Wir sind die einzigen Gäste.

Schwarzenberg ist wirklich hübsch mit seinen Gässchen, der Kirche und dem Schloss, die sich oben auf einem Berg versammeln und mit einem Aufzug von unten zu erreichen sind. Wir schlendern noch durch die Gassen, dann wird Moni von irgendeinem Insekt gepiekst. Seit unserer Wanderung im Grumsin, wo Moni nach einem Insektenstich eine heftige allergische Reaktion hat, führt sie auf ärztlichen Rat ein Notfallpack mit Penstift und weiteren Erste-Hilfe-Maßnahmen bei sich, für den Fall des Falles. Seitdem ist nie wieder was passiert, ist heute jetzt der Zeitpunkt, wo das ganze Programm (Medikamente in der richtigen Reihenfolge einnehmen, dann in jedem Fall Notarzt rufen) Premiere feiert?

Panoramaweg Schwarzenberg
Panoramaweg Schwarzenberg

Eine Gondel als Rastplatz
Eine Gondel als Rastplatz

Schwarzenberg
Schwarzenberg

Die Gassen von Schwarzenberg
Die Gassen von Schwarzenberg

Georgskirche Schwarzenberg
Georgskirche Schwarzenberg

Schloss Schwarzenberg
Schloss Schwarzenberg

Erlabrunn, again

Wir entschließen uns, nach Erlabrunn zu fahren, und dort im Krankenhaus um Rat zu fragen. Nach 1,5 Stunden Beobachtung wird Moni wieder entlassen; keine Anzeichen für Komplikationen.

Das Krankenhaus ist in einem imposanten Gebäude untergebracht, das mit seiner riesigen Front an den Flughafen Tempelhof erinnert. “Vergröberter Neoklassizismus sowjetischer Prägung” wird der Baustil auf der Website des Krankenhauses genannt.

Die gigantische Fassade der Klinik Erlabrunn
Die gigantische Fassade der Klinik Erlabrunn

Fichtelberg

Am letzten Tag fahren wir nach Oberwiesenthal und rauf auf den Fichtelberg; 20 KilometerWegstrecke durch hühelige Wälder an der Grenze zu Tchechien, dann führt eine lange Piste hinauf auf 1200 Meter zum Gipfel. Wir entscheiden uns für die Anfahrt mit dem Auto; Eine Gondel fährt auch von Oberwiesenthal hinauf. Oben thront das große Fichtelberghaus; in der Klause bei der Bergbahn duftet es nach Erbsensuppe und Roland Kaiser dudelt in Dauerschleife.

Von den vielen Wegen, die Komoot uns anbietet, verwerfe ich meine erste Wahl, die uns nördlich durch den Wald geführt hätte. Stattdessen geht es nun im Halbrund um den Gipfel herum.

Eine gute Wahl! Wir treffen auf die alte Rennrodelstrecke, deren Steilkurven mit Graffitis versehen sind und der Szenerie eine gewisse Lost Place Ästhetik verleihen. Im weiteren Verlauf kreuzen wir die Schneisen der Pisten und Lifte, und bekommen weite Blicke ins Land und auf Oberwiesenthal.

Zum Abschluss der Wanderung geht es dann in die Klause, Würstchen und Schorle werden verdrückt, bevor wir runterfahren, um Kaffee und Nachtisch in Oberwiesenthal zu nehmen. Das Café Enderlein nahe dem Markt wird einvernehmlich ausgesucht; wir dösen auf dem Sofa und genießen die leckeren Kuchen, und Milli bekommt Wasser und - natürlich - ein Leckerli.

Die Gassen am Markt sind voller Läden mit Erzgebirgskunst; Schwibbögen, Räucherengel, Weihnachtspyramiden, Weihnachtssterne. Eine kleine Handvoll weiterer Touristen sind ebenfalls unterwegs, sächsisch ist die vorherrschende Mundart.

Das Fichtelberghaus
Das Fichtelberghaus

Bergbahn am Fichtelberg
Bergbahn am Fichtelberg

Alte Rodelstrecke am Fichtelberg
Alte Rodelstrecke am Fichtelberg

Alte Rodelstrecke am Fichtelberg
Alte Rodelstrecke am Fichtelberg

Blick nach Oberwiesenthal
Blick nach Oberwiesenthal

Am nächsten Tag geht es dann zurück, die Absperrungen und Baustellen wollen uns nicht einfach freigeben, aber beim dritten Versuch klappt es. Es wird den Erlebnissen der 6 Tage nicht gerecht, aber ein gewisses Gefühl der Erleichterung macht sich breit, als wir die Ausläufer des Erzgebirges hinter uns gelassen haben. Die Unzugänglichkeit der Straßen, die dunkle Unterkunft verbunden mit dem vielen Regen leisten hier den größten Beitrag.

Mitnehmen tuen wir Eindrücke an einen gebirgigen Landstrich voller Flüsse & Berge, Dörfer und Städte, mit weitreichender Geschichte und Tradition, die es zu entdecken gilt, wenn die Straßen es denn erlauben.

Das Erzgebirge hat es uns nicht leicht gemacht, aber Wellness ist eh nicht unser Ding.

Glück auf.

Weitere Beiträge zum Thema