Wanderung im Rhinluch durch das Dickicht des NSG Zootzen zum alten Rhin, und über den Rhinkanal an der einsamen Eiche vorbei zurück

Zootzen, das ist ein Name, der so urig klingt, das er mich neugierig machte. Ein Naturschutzgebiet inmitten der trockengelegten Sümpfe des Rhinluchs soll es es hier geben, und einen alten Flusslauf des Rhin, den man ansonsten nur als Kanal kennt - durch die Melioration des Rhinluchs gebändigt.

Rhinluch

Das Rhinluch ist eine riesige Niedermoorlandschaft im Norden des Havellandes, entstanden durch die abschmelzenden Gletscher der letzten Eiszeit. Ursprünglich war es ein gigantisches Feuchtgebiet, dass sich im Sommer zu Sümpfen wandelte. Ortschaften gab es nur auf den Hügeln, die als kleine Inseln hervorragten.

Rhin

Inmitten des Rhinluchs fließt von Ost nach West ein Fluss, der Rhin, dessen Name angeblich auf die niederländischen Siedler zurückgeht, die als Kolonisten angeworben wurden. Das Luch wurde drainiert und mit einem Netz von Entwässerungsgräben durchzogen, und der Rhin in einen Kanal gezwängt, bevor er weiter westlich - am Gülper See - in die Havel fließt.

Zootzen

Der Zootzen ist inmitten des Rhinluchs eine bewaldete Landschaft, die sich leicht über das Rhinluch erhebt. Der Name Zootzen leitet sich wohl vom slawischen “Insel im Sumpf” oder von “Kiefer” ab - beide Begriffe sind treffend. Vor der Trockenlegung des Rhinluchs konnte der Zootzen nicht bewirtschaftet werden, sodaß hier ein Urwald mit mächtigen, alten Eichen entstand.

Alter Rhin

Am westlichen Rand des Zootzen verläuft über ca 6 Kilometer ein Altarm des Rhin, der sich durch das Walddickicht mäandert. Durch die Trockenlegung ist er stark von Wasserarmut betroffen und sogar fast trocken gefallen; nunmehr wird er von Rhinkanal mit Wasser versorgt. Es gibt weitere Abschnitte des 129 Kilometer langen Rhin, die nicht kanalisiert sind und “Alter Rhin” bezeichnet werden; diese befinden sich weiter östlich im Kremmener Luch und am Oberlauf in der Ruppiner Schweiz.

Wanderung durch das NSG Zootzen und über den Rhinkanal zurück

Nun also gehts los; auf in den Zootzen! Die Anreise führt mich ab Berge über die L174 nach Paulinenaue und weiter nach Friesack, von dort geht es durch das Scheunenviertel von Friesack in den Ort “Friesacker Zootzen”, wo ich am Ortsausgang parke. die Straße führt weiter am Zootzen entlang, und die nachfolgenden Schwestersiedlungen nennen sich Klessener Zootzen und Briesener Zootzen.

Nach einem Kilometer auf der Verbindungsstraße in Richtung Klessener Zootzen geht es in den Wald hinein, und man gelangt zu einer kleinen Lichtung, die einen Rastplatz und einen Naturlehrpfad beinhaltet. Hier findet sich auch eine Karte des Gebietes, was hilfreich ist, denn Komoot zeigt die Wege im NSG Zootzen nicht an.

Wegenetz im NSG Zootzen
Wegenetz im NSG Zootzen

Naturlehrpfad Zootzen
Naturlehrpfad Zootzen

Herrlicher Mischwald im NSG Zootzen
Herrlicher Mischwald im NSG Zootzen

Ich orientiere mich nach dieser Karte und verlasse den Hauptweg, um nach links in Richtung alter Rhin zu gehen. Die Wege werden nicht mehr geräumt, was herunterfällt, bleibt liegen. Manche Abschnitte sind von Wildschweinen umgegraben, andere hoch mit Pflanzen bewachsen. Käfer krabbeln um die Füße, Libellen und andere Insekten schwirren um mich herum, die Hosenbeine setzen sich mit Kletten zu.

Dieser Wald gehört den Tieren, denke ich, und Bilder alter Märchen kommen mir in den Sinn, als ich Abdrücke großer Tatzen in den Suhlen des Bodens sehe.

Ich laufe am Rand des auf der Karte gelb markierten Bereichs, der nicht betreten werden sollte, und komme dann zum alten Rhin, der ein paar Meter unter mir sich im Gehölz windet. Sogar eine Bank findet sich hier, Zeit für eine Pause. Stille, durchbrochen von Vogelschreien, Insektengesumm und meinem Atem. Schön, den Rhin hier als Fluss und nicht als Kanal zu sehen, wenngleich das Wasser, dass durch ihn fließt, durch Stellwerke geregelt wird, und das Fließen eher ein Stehen ist.

Der alte Rhin im NSG Zootzen
Der alte Rhin im NSG Zootzen

Morast und Suhlen im NSG Zootzen
Morast und Suhlen im NSG Zootzen

Märchenhaft verwittertes Totholz im Zootzen
Märchenhaft verwittertes Totholz im Zootzen

Der Weg führt weiter, und der Rhin sucht sich seinen eigenen Weg. Abrupt stehe ich im Hellen, der Wald liegt hinter mir. Zwischen Feldern geht es bis zum nächsten Wäldchen, wo ich auf den Rhinkanal treffe, an dem ich zurücklaufe.

Einsame Eiche

An Baumreihen und Schilfgürtel geht es einige Kilometer entlang des Rhinkanals, bis ich zum Rastplatz “Einsame Eiche” komme, der sich auf der anderen Seite des Rhinkanals befindet, aber über eine Brücke zugänglich ist. Über Jahrhunderte stand hier eine Eiche, die gleichsam Wahrzeichen und Markierungspunkt in der Landschaft war, bis sie 1945 vom Blitz getroffen wurde. In Erinnerung an die Eiche wurde dann in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts ein neuer Baum gepflanzt. Aber auch ohne den alten Baum ist der Rastplatz schön, und kommt mir nach dem langen Marsch sehr entgegen. Infotafeln erläutern die Geschichte des Baumes und die Besonderheiten dieser Landschaft.

Feldweg im Rhinluch; rechts ein Entwässerungsgraben
Feldweg im Rhinluch; rechts ein Entwässerungsgraben

Der Rastplatz Einsame Eiche
Der Rastplatz Einsame Eiche

Allee der Bäume des Jahres

Ich weiß nicht, ob ich vorher unaufmerksam war, oder ob es einfach nur Zufall ist. Kurz aufeinanderfolgend habe ich eine Reihe eindriucksvoller Vogelbeobachtungen. Wildes Gezeter von Eichelhähern im benachbarten Hain, ein Schwan, der im rhythmischen Flap … Flap … Flap dicht über der Wasseroberfläche des Rhins direkt an mir vorbeizieht, als wäre der Fluss seine Autobahn, der Schrei eines Fischadlers, und als ich ihn am Himmel entdecke, erkenne ich noch einen kleineren, braunen Greifvogel (ein Falke?), und schließlich eine Gruppe Kraniche, die weit oben am Himmel trompetend nach Süden reist. Wow, jetzt noch ein Wiedehopf und ein Eisvogel … okayokay, wollen wir mal nicht unverschämt werden.

Dem Weg am Kanal weiter folgend (auf dem hier auch der “Radwanderweg Neurupping-Friesack” verläuft), begegne ich einer Frau, die Äpfel pflückt und mir rät, es ihr gleichzutun. Süß sind sie, und sauer zugleich. Der alte Förster hatte sie gepflanzt, damit sie den Wildtieren des Zootzener Waldes Nahrung bieten.

Wilde Äpfel am Rhinkanal
Wilde Äpfel am Rhinkanal

Flusslauf des Rhinkanals
Flusslauf des Rhinkanals

Der Rhinkanal, von einer Brücke aus gesehen
Der Rhinkanal, von einer Brücke aus gesehen

Äcker und ein weiter Himmel - das Rhinluch
Äcker und ein weiter Himmel - das Rhinluch

Entlang des Weges am Rhinkanal
Entlang des Weges am Rhinkanal

Kurz darauf folgt eine Baumallee mit den Bäumen des Jahres. Von der Moorbirke (Baum des Jahres 2023) geht es zurück bis ins Jahr 1989 - die Stieleiche. Einige wenige Bäume haben es nicht geschafft, und stehen als nacktes Skelett aam Rand, was nicht verwundert - die Standortbedingungen müssen ja zum Baum passen.

Am Ende der Allee wartet der Rastplatz Zootzen auf mich; hier finden sich Bänke, Infotafeln und ein metallenes Büchlein, den Eichenkalender, der das Erscheinungsbild und die Entwicklung und Veränderung der Eichen im Zyklus des Jahresablaufs erläutert. Auch die merkwürdigen Galläpfel werden beschrieben, die wir in der Prignitz gesehen haben.

Der Eichenkalender am Rastplatz Zootzen
Der Eichenkalender am Rastplatz Zootzen

Erläuterung zur Entstehung des Zootzen; Rastplatz Zootzen am Rhinkanal
Erläuterung zur Entstehung des Zootzen; Rastplatz Zootzen am Rhinkanal

Rhintülpl

Auf der Infotafel des Rastplatzes lese ich zudem über den sagenhaften Rhintülpl; eine endemische Art der Zauneindechse, die nur hier anzutreffen ist. Zur Paarungszeit wachsen den männlichen Tülpln schmetterlingsartige Flügel, mit denen sie zu den Paarungsorten fliegen. Eine Kreatur, so unglaublich wie der Rasselbock oder der Wulpertinger! Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, wer sich über das Geschöpf informieren möchte, dem sei der Weg nach Zootzen ans Herz gelegt.

Zurück über den Alten Rhin

Von hier ist es nicht mehr weit. Der Weg führt an einem Gehöft vorbei; Kühe stehen auf einer Wiese. Ich kreuze noch einmal den alten Rhin, der hier fast gemütlich aussieht, mit den Sonnenstrahlen, die das Ufergras kitzeln.

Als ich ins Auto steige, sind die Beine müde. Die Tour wird mir noch länger im Gedächtnis bleiben. Der Urwald des Zootzen und der alte Rhin, und der lange Marsch am Kanal zurück. Das Insektengewimmel und die vor Lebendigkeit sprudelnde Flora des Naturschutzgebietes, und der weite Himmel des Luchs mit seinen Bewohnern. Hier gehört beides zusammen.

Der alte Rhin in der Nähe des Ortes 'Friesacker Zootzen'
Der alte Rhin in der Nähe des Ortes 'Friesacker Zootzen'

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