Sommerurlaub im Süden Polens – erster Teil: Das Glatzer Bergland

Nun hat es also doch einmal geklappt mit unserem Urlaub im Osten Europas. Wie oft hatten wir es uns schon vorgenommen – doch immer kam etwas dazwischen: Budapest, Slowenien, Tschechien – nichts wollte klappen. Familiäre Unpässlichkeiten oder gesundheitliche Gründe machten uns stets einen Strich durch die Rechnung.

Dieses Jahr hat Moni die Planung übernommen. Viele Abende saß sie über Karten und Reiseführern, kämpfte sich durch den Knoten aus Konsonanten in diesen unaussprechlichen Ortsnamen, während ich mehr oder weniger unvorbereitet in unser Abenteuer stolperte.

„Abenteuer“ – das mag seltsam klingen, denn Polen ist unser direkter Nachbar. Unsere Familie ist zu unserer großen Freude längst um polnische Mitglieder reicher geworden, und auch sonst ist der Kontakt zu Menschen polnischer Herkunft im beruflichen wie privaten Alltag allgegenwärtig. Aber all das findet in unserer Komfortzone statt – auf Deutsch.

Zwei Etappen haben wir uns vorgenommen, beide im Süden Polens an der tschechischen Grenze: Śląsk – Schlesien.
Ist es Zufall oder eine Art stiller Bestimmung, dass man als deutscher Tourist ausgerechnet die ehemaligen deutschen Ostgebiete bereist?
Schlesien und die Sudeten kannte ich bisher nur aus dem Fernsehen – von den alljährlichen Prozessionen der Vertriebenenverbände. Ich bin mit diesen Bildern aufgewachsen, habe mich aber nie wirklich damit beschäftigt. Heimat, Vertreibung, Flucht, Ostgebiete – sich mit diesen Wörtern und ihrer Bedeutung auseinanderzusetzen, fällt schwer angesichts der entfesselten Barbarei, die Deutschland über Europa – und gerade auch über Polen – gebracht hat.

Heute ist aus Schlesien längst wieder „Śląsk“ geworden. Doch Spuren der deutschen Geschichte finden sich noch immer. Unsere Befürchtung, Teil einer deutschen Tourismusinvasion zu sein, erwies sich zum Glück als unbegründet – deutsche Auto-Kennzeichen sind selten. Dafür ist in Polen Sommerferienzeit, und wir freuen uns, in Polen und unter Polen zu sein – und uns mit der polnischen Sprache auseinandersetzen zu müssen. Deutsch spricht hier fast niemand, Englisch nur wenige.

Oh, die polnische Sprache! Ich hielt mich immer für sprachbegabt – lebte bisher aber von den Zinsen des großen Latinums. Romanische Sprachen fielen mir leicht, zumindest genug, um 200 Gramm irgendwas zu bestellen, den Weg zum Bahnhof zu erfragen oder die richtige Toilettentür zu finden. Aber Polnisch? Herrje – das muss man ja richtig lernen! Bis zehn zählen? Bekomme ich noch immer nicht so hin, dass es verstanden wird. Immerhin klappt „Dzień dobry“ – „Guten Tag“ – inzwischen so gut, dass ich es nur vorsichtig einsetze: Allzu oft löst es ein fröhliches Geplauder aus, dem ich mich dann kleinlaut mit einem „Nie mówię po polsku“ – „Ich spreche kein Polnisch“ – entziehen muss.

Das Kamienica-Tal

Unsere erste Woche verbringen wir also im Glatzer Bergland. Fährt man mit dem Finger auf der Landkarte entlang der polnisch-tschechischen Grenze, folgt man automatisch dem Verlauf der Sudeten – eines gut 300 Kilometer langen Gebirgszugs. Im Westen liegt das Riesengebirge mit der Schneekoppe als höchstem Berg, dann umschließt das Gebirge – wie auch der Grenzverlauf – den Glatzer Kessel, benannt nach dem Hauptort Glatz, heute Kłodzko.

Unsere Unterkunft haben wir über Airbnb gefunden – allerdings erst nach mehreren Anläufen. Eine einsam gelegene Waldhütte zu finden, ist gar nicht so leicht. Airbnb ist voll von mehr oder weniger gleich aussehenden Angeboten, jedes überladen mit Superlativen. Am Ende half uns ChatGPT, das uns polnische Ferienhausportale nannte. Dort fanden wir unsere Hütte – sie war auch bei Airbnb gelistet, und dort haben wir sie schließlich gebucht.

Die Waldhütte liegt in einem stillen Seitental, dem Kamienica-Tal. Nach gut sechs Stunden Fahrt erreichen wir Stronie Śląskie und wundern uns über die vielen Baustellen am Fluss. Auch in unserem Tal das gleiche Bild – Straßen entlang des Wassers sind beschädigt. Vor einem Jahr gab es hier ein schlimmes Hochwasser, das erhebliche Zerstörungen angerichtet hat. Die Spuren sind immer noch sichtbar. Aber es wird gearbeitet: Flussbetten werden gesichert, und selbst bei den Schotterwegen im Wald sehen wir, dass Ablaufrinnen angelegt werden, um künftige Unterspülungen zu verhindern.

Unsere Straße zieht sich immer weiter ins Tal hinein, und bevor sie ganz endet, finden wir unsere Hütte auf einer Wiese – neben einem kräftigen Fluss, eingerahmt von den bewaldeten Flanken der Berge.
Die Hütte hat alles, was man braucht, ist aber klein. Der Tisch bietet zwei schmale Bänke, auf denen längeres Sitzen schwerfällt – und das kühle, feuchte Wetter hält uns oft davon ab, es uns draußen in den Gartenstühlen bequem zu machen.

Unsere Waldhütte im Kamienica-Tal
Unsere Waldhütte im Kamienica-Tal

Im Kamienica-Tal
Im Kamienica-Tal

Blick in die Berge des Schneegebirges
Blick in die Berge des Schneegebirges

Nebel in den Bergen
Nebel in den Bergen

Sonne und Wolken im Kamienica-Tal
Sonne und Wolken im Kamienica-Tal

Heiligenschreine im Kamienica-Tal
Heiligenschreine im Kamienica-Tal

Międzygórze – Wölfelsgrund

Międzygórze liegt etwa zehn Kilometer westlich unserer Waldhütte im Kamienica-Tal, doch durch die Umfahrung der Berge werden daraus rund dreißig Kilometer. Wir haben schnell gemerkt, dass Entfernungen, die auf der Karte wie eine Daumennagelbreite wirken, hier deutlich längere Fahrzeiten bedeuten. Auf dem Weg dorthin kreuzen wir das etwas schaurig wirkende Wintersportgebiet Sienna und fahren weiter über Hügel mit weiter Sicht.

Der Ort ist klein, aber geprägt von eindrucksvollen Holzhäusern, deren Türme in den Himmel ragen und die sich dicht aneinander in die Schlucht schmiegen. Unser erstes Ziel ist der Wasserfall des Flusses Wölfel, den man über zahlreiche Stufen erreicht. Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau setzte sich dafür ein, dass Wege erschlossen wurden, und Wölfelsgrund entwickelte sich zu einem beliebten Kur- und Urlaubsort.

Der Wasserfall in der Wölfelschlucht
Der Wasserfall in der Wölfelschlucht

Imposante Häuser in Międzygórze – Wölfelsgrund
Imposante Häuser in Międzygórze – Wölfelsgrund

Die Treppen führen zunächst tief hinab und um das Kesselbecken herum, in das der Wasserfall stürzt, bevor es wieder hinaufgeht – Stufe um Stufe, scheinbar endlos, bis das Herz hämmert. Das Rauschen wird leiser, und auf Waldwegen mit mäßigem Anstieg erreichen wir schließlich die Wallfahrtskirche Maria Schnee kurz unterhalb des Gipfels der Góra Igliczna.

Inschrift in Maria Schnee
Inschrift in Maria Schnee

Die Kirche Maria Schnee
Die Kirche Maria Schnee

Blick von der Kirche ins Glatzer Land
Blick von der Kirche ins Glatzer Land

Dort findet gerade eine Andacht statt, deren polnische Worte über Lautsprecher in jede Ecke dringen. In den Glasfenstern sind noch deutsche Inschriften zu sehen. Vor der Kirche öffnet sich ein Panorama über die Ausläufer des Schneegebirges und die anschließende Ebene. Nach einer Pause gehen wir wieder hinab in den Ort, kehren im Café Kawiarnia Marianna ein und sehen uns anschließend noch die beiden Kirchen an.

Auf dem Rückweg über die Höhenzüge leuchtet das Nachmittagslicht auf den Bergen, und wir halten an, um den Moment zu genießen – wie schon vor Jahren im Süden Italiens, wenn uns der Zufall besondere Augenblicke schenkt, die nicht vergessen werden können. Von einem Hügel gegenüber ist die Maria-Schnee-Kirche noch einmal gut zu sehen.

Nach dem Abendessen in unserer Waldhütte – Kartoffeln und Quark, den wir im Supermarkt erst nach längerem Suchen fanden – machen wir noch einen Spaziergang zu einer kleinen Gruppe von Ferienhäusern am Hang. Ein Stichweg führt steil hinauf, und wir klettern bis zu einem Felsen, auf dem ein Kreuz in einem Kreis steht. Oben genießen wir den Blick ins Kamienica-Tal, bevor wir den Rückweg antreten. Der Abstieg ist mühsamer als der Aufstieg, denn das nasse Gras ist rutschig und verdeckt lose Steine und Äste, die leicht unter den Füßen wegrutschen.

Blick ins Kamienica-Tal
Blick ins Kamienica-Tal

Wambierzyce – Albendorf

Wambierzyce, auf Deutsch Albendorf, liegt etwa eine Stunde Autofahrt von unserer Waldhütte entfernt. Wir parken am Ortsrand, gehen die wenigen hundert Meter ins Zentrum und stehen plötzlich vor der riesigen Wallfahrtskirche Maria Heimsuchung, die in hellem Ockerton wie ein goldener Palast vor uns aufragt. Was für ein beeindruckendes Bauwerk!

Die Kirche Maria Heimsuchung
Die Kirche Maria Heimsuchung

Über eine breite Freitreppe gelangen wir ins Innere, das nicht von einem klassischen, langen Kirchenschiff geprägt ist, sondern um eine zentrale Gnadenkapelle herum angelegt wurde. Diese beherbergt eine spätgotische Holzfigur der „Königin der Sudeten“ – ein Marienbild, das seit dem Mittelalter Ziel von Pilgerreisen ist. Um die Kapelle ziehen sich Gänge mit Altären, Fresken und barocken Skulpturen, die Szenen aus dem Leben Mariens und Jesu zeigen.

Die Gnadenkapelle
Die Gnadenkapelle

Gegenüber erhebt sich der Kalvarienberg, ein Hügel mit Dutzenden Kapellen und Andachtsstationen, die die Leidensgeschichte Jesu darstellen. Solche Anlagen nennt man Jerusalemnachbildungen; diese trägt den Beinamen „Schlesisches Jerusalem“ und entstand im 18. Jahrhundert. Wir folgen den verschlungenen Wegen, passieren die Stationen des Kreuzwegs und steigen dabei immer höher.

Blick auf den Kalvarienberg
Blick auf den Kalvarienberg

Pilgerstation
Pilgerstation

Blick vom Kalvarienberg auf Maria Heimsuchung
Blick vom Kalvarienberg auf Maria Heimsuchung

Am oberen Ende führt ein Pfad nach Norden, wo auf einer Wiese vier frei stehende Glocken von beeindruckender Größe stehen – jede von ihnen kunstvoll gegossen und mit Reliefs verziert. Von hier aus reicht der Blick weit über die hügelige Landschaft.

Die Glocken von Wambierzyce
Die Glocken von Wambierzyce

Vorne Wambierzyce, hinten der Tafelberg Großer Heuscheuer
Vorne Wambierzyce, hinten der Tafelberg Großer Heuscheuer

Wir setzen uns an einen steinernen Tisch, genießen die Ruhe und das besondere Ambiente, bevor wir wieder hinabsteigen. Hinter der Wallfahrtskirche erkennen wir in der Ferne einen Berg mit flacher Kuppe – einen Tafelberg. Es ist der Große Heuscheuer (Szczeliniec Wielki) im Heuscheuergebirge, auf dessen Gipfel ein Labyrinth aus Granitfelsen und -türmen wartet. Eigentlich sollte er unser nächstes Ziel werden, doch vor Ort müssen wir feststellen, dass der Aufstieg für Hunde verboten ist. Kurzentschlossen ändern wir unsere Pläne und steuern stattdessen das Kurbad Kudowa an.

Kudowa Zdrój / Bad Kudowa

Kudowa Zdrój ist – wie der Zusatz „Zdrój“ verrät – ein Heilbad. Hier sprudelt Heilwasser aus der Erde, das früher als sogenanntes „Sauerwasser“ bis nach Prag, Berlin und Brandenburg verkauft wurde. Wir spazieren durch das überraschend geschäftige Städtchen und landen schließlich in der Trinkhalle, in der sich auch ein Café befindet. Kaffee und Kuchen gibt es hier ebenfalls – perfekt für eine Pause. Die große Halle lässt erahnen, wie die Kurgäste früher Schlückchen für Schlückchen ihr Wasser tranken, während sie unter den hohen Decken und zwischen den Kolonnaden flanierten.

Die Wandelhalle in Kudowa
Die Wandelhalle in Kudowa

Die Heilwasserquelle in Kudowa
Die Heilwasserquelle in Kudowa

In einer Ecke der Halle befindet sich die Quelle selbst, die gegen Eintritt zugänglich ist. Einige Besucher probieren das mineralreiche Wasser, das – wie wir hören – einen deutlich metallischen Geschmack haben soll. Kudowa Zdrój gehört zu den ältesten Kurorten Niederschlesiens; schon im 17. Jahrhundert wurden die Quellen für Trinkkuren genutzt, später reisten Gäste aus ganz Mitteleuropa an. Heute reiht sich rund um den Kurbezirk ein Geschäft an das nächste, Restaurants laden zum Verweilen ein – uns ist es jedoch etwas zu trubelig. Wir ziehen uns daher in den angrenzenden Kurpark zurück und spazieren zwischen Blumenbeeten und alten Bäumen zurück zu unserem Auto.

Im Kurpark von Kudowa
Im Kurpark von Kudowa

Das prächtige Sanatorium Polonia
Das prächtige Sanatorium Polonia

Da ich am Morgen bereits eine zweistündige Wanderung im Kamienica-Tal hinter mir hatte, ist der Tag mit der langen Autofahrt, dem Besuch von Wambierzyce und Kudowa Zdrój reichlich gefüllt gewesen – und so falle ich am Abend müde ins Bett.

Schneeberg

Die Beine schmerzen noch vom Vortag, und in der Nacht hat es bis zum Morgengrauen geregnet. Da für den Tag ansonsten trockenes Wetter angesagt ist, wollen wir unsere Tour zum Schneeberg unternehmen – nicht zu verwechseln mit der Schneekoppe. Mit 1400 Metern ist er der höchste Gipfel des hier liegenden Schneegebirges (Masyw Śnieżnika).

Um 9:00 Uhr fahren wir nach Kletno, nur 15 Minuten mit dem Auto entfernt, und parken am Ende der öffentlichen Straße. Der Weg dorthin führt über eine schmale Ausweichstrecke, da die eigentliche Straße durch das Hochwasser beschädigt wurde und noch nicht wieder aufgebaut ist. Schon hier sind einige andere Wanderlustige unterwegs, vor allem wegen der Bärenhöhle, die auf dem Weg zum Gipfel liegt. Diese wurde 1966 entdeckt; neben Tropfsteinformationen fand man darin tausende Jahre alte Knochen von Höhlenbären. Wir lassen die Höhle aus – mit Hund ist ein Besuch ohnehin nicht möglich – und steigen weiter bergauf.

Die steile Abkürzung umgehen wir und nehmen lieber den längeren, aber moderateren Weg. Schließlich erreichen wir die PTTK-Hütte „Schronisko na Śnieżniku“, wo wir eine Pause einlegen, Bananen essen und die Füße aus den Schuhen befreien. PTTK steht übrigens für „Polskie Towarzystwo Turystyczno-Krajoznawcze“ – Polnische Gesellschaft für Touristik und Landeskunde. Diese Bezeichnung findet man häufig an Wegweisern und Infotafeln.

Innen herrscht echtes Hüttenleben: alle Tische belegt, Stimmengewirr, der Duft von Suppe und Eintopf liegt in der Luft. Danach geht es weiter bergauf. Ein Wegweiser kündigt den Gipfel in 30 Minuten an, und nach weiteren 200 Höhenmetern sind wir oben – auf einem so flachen Plateau, dass man ohne Aussichtsturm kaum über den Horizont hinausblicken könnte.

Kurz vor dem Ziel hatte ich Moni noch versprochen, den Turm nicht zu besteigen – die Beine wollten eigentlich nicht mehr. Natürlich stehen wir wenige Minuten später trotzdem auf der Plattform, und es wäre töricht gewesen, darauf zu verzichten: Nur von hier reicht der Blick weit in die Täler des Schneegebirges.

Die kleine Bernhardskapelle am Beginn des Weges
Die kleine Bernhardskapelle am Beginn des Weges

Der Aussichtsturm auf dem Gipfel
Der Aussichtsturm auf dem Gipfel

Blick auf den Wanderweg zur PTTK-Hütte in Polen
Blick auf den Wanderweg zur PTTK-Hütte in Polen

Nicht enden wollende Berge und Täler
Nicht enden wollende Berge und Täler

Oben ist es kalt, kaum wärmer als 12 bis 14 Grad, und der Wind pfeift eisig. Umso erstaunlicher, dass einige Wanderer in kurzer Hose und T-Shirt unterwegs sind, als sei Hochsommer. Zwar ist es Ende Juli, aber das Thermometer sagt etwas anderes. Wir suchen uns ein Plätzchen im Windschatten des Turms, knabbern die restlichen Nüsse und machen uns dann an den Abstieg: erst über den steinigen Hang zur Berghütte, dann über den langen Schotterweg zurück zum Parkplatz. Am Ende liegen 750 Höhenmeter, 17 Kilometer und 5 Stunden 30 Minuten hinter uns.

Kłodzko / Glatz

Nach den langen Wanderungen der letzten Tage – und mit dem Blick auf die angekündigten Regenfälle – steht uns heute der Sinn eher nach einem gemütlichen Stadtbesuch. Wir haben noch zwei Tage im Glatzer Bergland, bevor wir unsere Unterkunft wechseln und ins Riesengebirge weiterziehen. Der Samstag verspricht noch trockene Abschnitte, der Sonntag wird wohl komplett ins Wasser fallen.
Unser Ziel ist Kłodzko, auf Deutsch „Glatz“, die historische Hauptstadt der Grafschaft Glatz.

Der Weg führt uns aus den Hängen des Schneegebirges hinab ins Zentrum des Glatzer Kessels; nach etwa 45 Minuten erreichen wir die Stadt. Wir sind etwas spät dran – eine Folge des abwartenden Blicks auf den Himmel – und finden auf dem vorgesehenen Parkplatz keinen Platz. Das erweist sich nicht als Problem: Wir schlängeln uns die Straße zur Festung hinauf und entdecken dort einen kostenlosen Stellplatz.

Die Altstadt – genauer gesagt das historische Zentrum – gruppiert sich um das imposante Rathaus. In den umliegenden Straßen reihen sich reich verzierte Bürgerhäuser, an denen Informationstafeln über ihre frühere Nutzung berichten. Besonders beeindruckt hat mich die Kirche Mariä Himmelfahrt (Kościół Wniebowzięcia Najświętszej Maryi Panny), deren dunkle Bänke, das gedämpfte Licht und die bunten runden Fenster wie eine Zeitreise in vergangene Jahrhunderte wirken.

In der Kirche Mariä Himmelfahrt in Kłodzko
In der Kirche Mariä Himmelfahrt in Kłodzko

Durch Kłodzko fließt die Glatzer Neiße (Nysa Kłodzka). Wie ihre „Namensschwester“, die Zittauer Neiße, mündet sie in die Oder. Auch hier hat das Hochwasser des letzten Jahres Spuren hinterlassen: Brücken sind teilweise gesperrt, und an manchen Häusern in Flussnähe ist der Putz abgeplatzt. Über die hübsche, aber kurze Steinerne Brücke (Reiseführer jubeln diese zur Karlsbrücke in Prag hoch) kommt man über die Młynówka, einen Nebenarm der Glatzer Neiße.

Die Brücke von Kłodzko
Die Brücke von Kłodzko

Direkt an die Altstadt schließt sich die Festung an, deren Wälle hoch über der Stadt thronen. Ein Weg entlang der Mauern – stellenweise recht schmal und nah am Abgrund – bietet Ausblicke in die Stadt. Die Festung selbst lassen wir aus, ebenso den unterirdischen Stadtrundgang: Die alten Häuser von Kłodzko besitzen mehrstöckige, miteinander verbundene Keller, die heute als touristische Attraktion begehbar sind. Leider ist ein Besuch mit Hund nicht möglich.

Das älteste Haus von Kłodzko
Das älteste Haus von Kłodzko

Charmante Ecken in Kłodzko
Charmante Ecken in Kłodzko

Mit Milli unterwegs
Mit Milli unterwegs

Der Rathausplatz von Kłodzko
Der Rathausplatz von Kłodzko

Blick von der Festung über die Stadt
Blick von der Festung über die Stadt

Zurück in der Altstadt finden wir ein charmantes Café neben der Kirche, wo Moni ihre frisch geübte polnische Bestellung zum Besten gibt – zur Freude der Bedienung, die ihr prompt ein Jagodzianka (Heidelbeerhefeteilchen) serviert.
An den Festungsmauern entdecken wir schließlich noch eine große Schautafel mit weiteren Sehenswürdigkeiten der Umgebung und beschließen spontan, einen Abstecher nach Kamieniec Ząbkowicki zu machen – nur 20 Minuten entfernt.

Kamieniec Ząbkowicki / Kamenz

Von Kłodzko aus erreichen wir Kamieniec Ząbkowicki, auf Deutsch Kamenz, in knapp 20 Minuten. Wir parken am breiten Fluss Budzówka, einem Nebenfluss der Glatzer Neiße, und gehen wenige Schritte bis zum weitläufigen Schlosspark, der an einer neugotischen Kirche beginnt. Diese Kirche war ursprünglich evangelisch, wurde von Prinzessin Marianne von Oranien-Nassau gestiftet und wird heute als Kultur- und Veranstaltungszentrum genutzt.

Eine Infotafel erinnert daran, dass dies der Rückzugsort Mariannes war – ein Name, der uns bereits im Wölfelsgrund begegnet ist.
Marianne, Tochter des niederländischen Königs, war mit Prinz Albrecht von Preußen verheiratet. Als dieser sie betrog und ihr die gewünschte Scheidung zunächst verweigerte, verließ sie Berlin und begann eine Beziehung mit ihrem Kutscher Johannes van Rossum. Für den preußischen Hof war das ein Skandal, und Marianne durfte sich in Preußen nur jeweils 24 Stunden am Stück aufhalten. Schloss Kamenz ließ sie in den 1830er Jahren nach Plänen des Architekten Karl Friedrich Schinkel errichten und blieb ihm trotz ihres Exils treu – sie wohnte im nahegelegenen tschechischen Bílá Voda (Weißwasser) und reiste regelmäßig hierher. Ihr soziales Engagement, gerade auch in Schlesien, machte sie bei der Bevölkerung beliebt.

Zurück in die Gegenwart: Der Park ist eingezäunt, und wir folgen den Wegen gemeinsam mit immer mehr Menschen – wo kommen die plötzlich alle her? Der Haupteingang ist wegen Bauarbeiten gesperrt, sodass uns die Sicht auf die Parkanlage verwehrt bleibt. Stattdessen gelangen wir zu einem Seiteneingang, an dem bereits viele Menschen auf eine Führung warten. Geduld haben wir keine, und unser Hund dürfte zudem nicht mit hinein.
Also spazieren wir durch den Park, versuchen einen Blick auf das Schloss zu erhaschen, was uns nur eingeschränkt gelingt: Die Anlage ist komplett umzäunt, und durch kleine Lücken zwischen Blättern und Mauern gelingen uns nur vereinzelte Blickfänge. Auch weitere historische Gebäude im Park sind nicht frei zugänglich.

Schloss Kamenz
Schloss Kamenz

Schloss Kamenz
Schloss Kamenz

Schließlich verlassen wir die Anlage wieder bei der Kirche, werfen einen weiteren Blick in den Ort auf der anderen Seite des Flusses und fahren über schmale Waldwege zurück zu unserer Hütte im Kamienica-Tal.

Lądek-Zdrój / Bad Landeck

Der Abend und die Nacht waren nass – und wurden immer nasser. Der Regen trommelte auf das Dach unserer Hütte, und gegen 22 Uhr erhielten wir sogar eine Katastrophenwarnung: Man solle sich auf mögliche Überflutungen einstellen.

Am nächsten Morgen gehe ich in kompletter Regenmontur mit Milli hinaus. Unser Kamienica-Bach ist stark angeschwollen und reißt braunen Schlamm mit sich, die Bergbäche am Hang treten über die Ufer und überfluten die Wanderwege. Für den Nachmittag ist Besserung angesagt, und so harren wir den Vormittag aus und fahren später ins nahe gelegene Lądek-Zdrój, ebenfalls ein Kurbad. Auf der Rückfahrt von Kamenz waren wir hier schon vorbeigekommen und hatten mit dem Auto eine Runde durch die Stadt gedreht – nun wollen wir sie uns genauer ansehen.

Vom Trubel in Kudowa ist hier nichts zu spüren; wir finden problemlos einen Parkplatz direkt am Kurpark. Das große Gebäude vor uns ist die Albrechts-Wandelhalle, benannt nach – richtig! – Prinz Albrecht, dem eher unlustigen Ehemann von Prinzessin Marianne. Die 1842 errichtete Halle diente einst den Kurgästen zum Flanieren und zur Einnahme des Wassers aus dem „Mariannenbrunnen“. Heute ist sie ein Café, und wir sinken in tiefe Sessel, genießen Kaffee und Kuchen und stellen uns vor, wie hier einst die Gäste in langen Kleidern und Fräcken promenierten.

Die Albrechts-Wandelhalle in Lądek-Zdrój
Die Albrechts-Wandelhalle in Lądek-Zdrój

Durch die überschaubare Gartenanlage gelangen wir zu einem Gebäude, das fast an einen Palast erinnert, in Wahrheit aber die Badehalle Zakład Przyrodoleczniczy „Wojciech“ ist: ein runder Kuppelbau aus dem 17. Jahrhundert, später im neobarocken Stil umgestaltet, mit einer heißen Thermalquelle im Inneren, die bis heute Heilbäder speist.

Die Badehalle in Lądek-Zdrój
Die Badehalle in Lądek-Zdrój

Die Altstadt liegt nur wenige Gehminuten entfernt, auf der anderen Seite des Flusses Biała Lądecka, der beim Hochwasser vor einem Jahr schwere Schäden angerichtet hat – die Spuren sind noch deutlich zu sehen. Über eine provisorische Behelfsbrücke erreichen wir den zentralen Marktplatz, um den sich, wie in Kłodzko, Bürgerhäuser aus verschiedenen Epochen reihen.

Aufgemalte Fenster
Aufgemalte Fenster

Ich liebe Śląsk / Schlesien
Ich liebe Śląsk / Schlesien

Blick auf den Rathausplatz
Blick auf den Rathausplatz

Bürgerhäuser in Lądek-Zdrój
Bürgerhäuser in Lądek-Zdrój

Bürgerhäuser in Lądek-Zdrój
Bürgerhäuser in Lądek-Zdrój

Die Dreifaltigkeitssäule in Lądek-Zdrój
Die Dreifaltigkeitssäule in Lądek-Zdrój

Impressionen
Impressionen

Doch der Himmel zieht sich erneut bedrohlich zu, eine schwarze Wetterfront kommt näher. Wir beeilen uns, zum Auto zurückzukehren – gerade rechtzeitig, bevor der nächste Wolkenbruch losgeht. Den letzten Abend im Kamienica-Tal verbringen wir bei prasselndem Regen in unserer Hütte, packen unsere Sachen und freuen uns auf die nächste Station – und hoffentlich besseres Wetter.

Weiter gehts in im zweiten Teil unserer Polenreise - der Woche im Riesengebirge. Der Bericht folgt in Kürze!

Mausgesichter in Bolesławów
Mausgesichter in Bolesławów

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